Kombination konstruierter Dialog und konstruierte Aktion

Konstruierter Dialog (CD) und konstruierte Aktion (CA) überlappen sich oft. Das Verhältnis kann dabei ganz unterschiedlich sein.

Nichtmanuelle und manuelle Komponenten kennzeichnen einen konstruierten Dialog oder eine konstruierte Aktion auf unterschiedliche Weise:

 

Nichtmanuelle Komponenten:

  • Blick: Ist der Blick auf die Adressat:innen gerichtet, so handelt es sich in der Regel um die Erzähl-Perspektive (Video – 0:38-0:39). Wird der Blick jedoch von den Adressat:innen weg auf einen Punkt im Gebärdenraum hin gerichtet, so kann dies auf CD oder CA
    – 00:50-00:55

 

  • Mimik: Die Stärke der Mimik kann auf CA oder CD
  • Mundbilder und Mundformen: Mundbilder sind eher ein Indiz für CD, Mundformen eher für CA
  • Veränderungen der Kopfhaltung weisen sowohl auf CD wie CA

– 01:28-o1:32

  • Veränderungen der Oberkörperhaltung weisen ebenfalls auf CD und CA

– 01:37-01:39

 

Manuelle Komponenten:

  • Die manuellen Komponenten geben darüber Auskunft, ob es sich bei einer Gebärde um eine lexikalisierte oder um eine produktive Gebärde (siehe Kapitel 7) handelt. CD benutzt eher lexikalisierte Gebärden, CA vermehrt produktive Gebärden. Es gibt verschiedene Arten produktiver Gebärden wie Manipulator, Substitutor, Skizze. Ein hoher Anteil an Manipulatoren und Substitutoren sind ein Indiz für CA.

 

Um eine Erzählung abzuschliessen, eine Sequenz mit CA oder CD zu beenden, wird oft wieder die Erzähl-Perspektive eingenommen. Dies wird dadurch signalisiert, dass wieder Blickkontakt mit den Adressat:innen hergestellt wird.

 

Folgende Schilderungen enthalten sowohl CD wie auch CA:

 

(a)

Erz: MUTTERUND  SOHN  IXKÜCHE  ||  BUB  PROD-sitzen(Bub)  HAUSAUFGABEN  SCHREIBEN-MACHEN  |  IXb  BUCH Teiln(Bub)CA: PROD-nehmen(Buch)  PROD-blättern-halten(Buch) Teiln(Bub)CA/CD:  HEY  MAMA  SAGEN  |  Erz: MAMA  Teiln(Mama)CA: PROD-schneiden(Objekt) CA/CD: WAS?  |  Erz: BUB  Teiln(Bub)CA: PROD-nehmen(Buch)  PROD-halten-zeigen(Buch)  |  CA/CD: ICH  NICHT  VERSTEHEN  IXb  WAS  BEDEUTEN  IXb  |  Erz: MAMA  Teiln(Mama)CA:  PROD-schneiden-halten(Objekt)  |  LESENb(Buch)CA/CD:  AH, BEDEUTEN SO-UND-SO  CD:  PROD-schneiden(Objekt)  |  Erz: BUB  Teiln(Bub)CA:  PROD-nehmen(Buch)  |  AH  ERLEICHTERT PROD-schreiben(Buch)  ||  – 00:00-00:27

 

‘Mutter und Sohn befinden sich in der Küche. Der Sohn sitzt am Tisch, blättert einige Seiten in einem Buch um und wendet sich fragend an die Mutter, die gerade am Schneiden/Rüsten ist. Sie möchte wissen, was los ist. Er zeigt auf eine Stelle im Buch und erklärt, dass er nicht verstehe, was das bedeute. Die Mutter hört auf zu schneiden, dreht sich um, liest im Buch und erklärt, was dies bedeute. Danach dreht sie sich wieder weg und schneidet weiter. Der Junge versteht jetzt und dreht das Buch wieder zu sich. Erleichtert schreibt er hinein.’

 

 

Sequenzen Beispiel (a) mit CD und CA:

 

CA Sohn (00:09-00:10): Blättert einige Seiten in einem Buch um.

CD/CA Sohn (00:10-00:11): Mama! / Hält gleichzeitig das BUCH fest.

CA Mutter (00:12-00:13): Ist gerade etwas am Schneiden/Rüsten.

CD (00:13-00:14): Was möchtest du?

CA Sohn (00:15): Dreht das Buch zur Mutter.

CA/CD Sohn (00:15-00:18): Das habe ich nicht verstanden, was bedeutet das? / Hält gleichzeitig das BUCH fest.

CA/CD Mutter (00:19-00:20): Hört auf zu schneiden. / Hält gleichzeitig das Messer. / Liest im Buch und antwortet.

CD Mutter (00:20-00:22): Aha, das bedeutet … .

CA Mutter (00:22-00:23): Dreht sich zurück und schneidet weiter.

CA Sohn: (00:23-00:24): Aha. Dreht das Buch wieder zu sich.

CA Sohn (00:24-00:25): Schreibt erleichtert hinein.

 

Die gebärdende Person beschreibt einleitend die Situation aus der Erzähl-Perspektive (‘Mutter und Sohn befinden sich in der Küche.’). Der Blick ist auf die Adressat:innen gerichtet.

Danach folgt der konstruierte Dialog zwischen Mutter und Sohn. In dieser Sequenz wird nur hin und wieder Blickkontakt mit den Adressat:innen hergestellt, um das Gespräch aufrechtzuhalten. Das Turntaking, also der Wechsel zwischen den Aussagen von Mutter und Sohn, wird markiert durch die Veränderung von Oberkörper- und Kopfhaltung, Blickrichtung und Mimik. Die Handlungen der beiden (‘BLÄTTERN, ‘DREHEN, ‘FRAGEN, ‘SCHNEIDEN, ‘ANTWORTEN’ etc.) werden mit konstruierter Aktion dargestellt. CD und CA überlappen sich zum Teil. Zum Schluss wendet sich die gebärdende Person wieder ganz den Adressat:innen zu und beendet mit dem Schliessen und Senken der Hände die Schilderung.

 

(b)

Erz: MANN  aKOMMENb  TÜR  SCHLÜSSEL  Teiln(Mann)CA:  PROD-nehmen(Schlüssel aus Hosentasche)  PROD-stecken(Schlüssel)  PROD-drücken(Türklinke)  PROD-drehen(Schlüssel)  |   KLAPPT  NICHT  CD: schauta(rechts)  WIESO? ||  Erz: IX-3a FRAU  IX-3Teiln(Frau)CD/CA:  PROD-tippen-anhalten(Schreibobjekt)  AH  |  DU  FALSCH  SCHLÜSSEL  IX|  ICH  RICHTIG  SCHLÜSSEL  ICH PROD-schieben(Schublade)  PROD-nehmen-zeigen(Schlüssel)  RICHTIG  IXErz: MANN  Teiln(Mann)CD:  AH, DANKE ||  – 00:00-00:16

 

‘Der Mann läuft zu einer Türe. Er zieht einen Schlüssel aus seinem Hosensack und will sie aufschliessen. Zu seiner Arbeitskollegin gerichtet meint er ratlos, dass sich die Türe nicht öffnen lasse. Darauf antwortet sie, dass er den falschen Schlüssel genommen habe, der richtige sei bei ihr in der Schublade. Der Mann reagiert erleichtert und bedankt sich bei seiner Kollegin.‘

 

Sequenzen Beispiel (b) mit CD und CA:

 

CA Mann (00:02-00:06): Zieht einen Schlüssel aus der Hosentasche, steckt ihn ins Schlüsselloch, dreht den Schlüssel und drückt die Klinke mehrmals.

CD Mann (00:05-00:07): Ich kann die Türe nicht öffnen.

CA Frau (00:07-00:08): Ist am Tippen.

CD/CA Frau (00:08-00:10): Das ist der falsche Schlüssel. / Tippt gleichzeitig weiter. / Den richtigen Schlüssel habe ich …

CA/CD Frau (00:10-00:13): … bei mir in der Schublade. Nimmt den Schlüssel aus der Schublade und zeigt ihn ihrem Kollegen. Das ist der richtige. Hält sich gleichzeitig am Tisch fest.

CD Mann (00:13-00:14): Ah, danke.

 

Die gebärdende Person beschreibt einleitend die Situation aus der Erzähl-Perspektive (‘Der Mann geht zu einer Türe.’). Der Blick ist auf die Adressat:innen gerichtet. Danach folgt der konstruierte Dialog zwischen Mann und Frau. Auch in dieser Sequenz wird nur hin und wieder Blickkontakt mit den Adressat:innen hergestellt, um das Gespräch aufrechtzuerhalten. Das Turntaking zwischen den Aussagen von Mann und Frau wird auch hier markiert durch die Veränderung von Oberkörper- und Kopfhaltung, Blickrichtung und Mimik. Die Handlungen der beiden (‘RAUSNEHMEN, ‘EINSTECKEN‘, DREHEN, ‘RÜTTELN’, ‘TIPPEN’ etc.) werden mit konstruierter Aktion dargestellt. CD und CA überlappen sich zum Teil.

Zum Schluss wendet sich die gebärdende Person wieder ganz den Adressat:innen zu und beendet mit dem Schliessen und Senken der Hände die Schilderung.

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