Unterschiede zur gesprochenen Sprache 03

Da Gebärdensprachen visuell wahrgenommen werden, können sie den dreidimensionalen Raum um den Gebärdenden herum für linguistische Zwecke nutzen, z. B. um bestimmte Orte im Raum (Locus/Loci) mit Personen oder Gegenständen zu assoziieren, über die man spricht. Die Richtung der Bewegung von einigen Gebärden zwischen diesen Orten im Gebärdenraum (z.B. Übereinstimmende Verben, Ortswechsel-Verben, Pfad-Verben, Produktive Verbformen) wird dann verwendet, um anzuzeigen, wer spricht oder wer wem etwas gibt (Agens und Objekt) oder von welchem Ort ein Objekt ausgeht oder wohin es sich bewegt. Eine frühe Studie ergab, dass es länger dauert, einzelne Gebärde zu produzieren als ein einzelnes Wort zu sprechen.⁴ Sie stellte jedoch auch fest, dass gebärdete Sätze in der Regel weniger Zeit als gesprochene Sätze mit dem gleichen Inhalt benötigen. Wie ist das möglich? Eine Erklärung liegt in den Unterschieden der Modalitäten, die von den beiden Sprachformen verwendet werden. Die Gebärden werden zwar nacheinander in Sätzen produziert, aber sie vermitteln auch viele sprachliche Informationen über ihre simultanen Komponenten.  Das visuelle System ist auf die Verarbeitung von gleichzeitigen Signalen zugeschnitten, während das auditive System der Lautsprache effizienter zwischen zeitlichen und sequenziellen Elementen unterscheiden kann (z.B. eine Abfolge von Wörtern). Deswegen ermöglicht die visuelle Modalität eine simultane Verwendung mehrerer Komponenten im dreidimensionalen Raum, was dazu beiträgt, dass die Nachteile des langsameren Produktionstempos für einzelne Gebärden ausgeglichen werden können. Diese Vorteile der visuellen Modalität werden bei der linguistischen Strukturierung von Gebärdensprachen oft genutzt.  Dies gilt auch für die Struktur von Sätzen (Syntax), die sowohl von gleichzeitigen Komponenten als auch von der Reihenfolge der Gebärden in einem Satz abhängt.
No Comments

Post A Comment

Skip to content