Die Darstellung von Zahlen / Nummern in einer Sprache ist in den entsprechenden kulturellen Kontext eingebunden. In der DSGS sind die griechischen Zahlen und das Dezimalsystem Grundlage dafür.

Die Zahlen 1 bis 10 werden folgendermassen gebärdet:

(a) EINS   ZWEI   DREI   VIER   FÜNF  SECHS   SIEBEN   ACHT   NEUN   ZEHN   – 00:14-00:20

Begonnen wird mit dem ausgestreckten Daumen der dominanten Hand (dH) für die Zahl 1; es folgt jeweils zusätzlich der benachbarte ausgestreckte Finger für die nachfolgende Zahl. Bei den Zahlen 4 und 9 wird der Daumen nicht miteinbezogen; sie werden mit ausgestrecktem Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger der dH dargestellt.

Alternativ dazu können die Zahlen 4 und 9 auch wie folgt gebärdet werden:

(b) Alternative Darstellung Zahl 4   – 00:23

Anstelle des kleinen Fingers wird der Daumen ausgestreckt.

(c) Alternative Darstellung Zahl 9   – 00:24

9_9

Anstelle des kleinen Fingers wird der Daumen ausgestreckt.

Begonnen wird mit Zählen jedoch auch bei diesen alternativen Gebärden mit dem ausgestreckten Daumen für die Zahl 1, wie in (a) aufgezeigt.

Zahlen spielen in unterschiedlichsten Bereichen eine Rolle. Die Mathematik ist nur einer davon. Im Folgenden wird die Darstellung einiger ausgewählter Arten mathematischer Zahlen in DSGS aufgezeigt. Fokussiert wird dabei auf natürliche Zahlen (0; 1; 2; 3; …), ganze Zahlen (…; -3; -2; -1; 0; 1; 2; 3; …) und rationale Zahlen (1/2; 3/4; -2/8; …). In der Mathematik sind Zahlen meist an Masseinheiten (Länge, Fläche, Volumen, Gewicht, Zeit), Geldeinheiten, Altersangaben o.a. gebunden. In diesem Kapitel wird u.a. speziell der Bezug zu Zeiteinheiten (Kapitel 8.32) und Geldbeträgen (Kapitel 8.33) betrachtet.

Es ist nicht immer einfach zu erkennen, wo eine Aussage endet und eine neue beginnt. Während in der gesprochenen Sprache Anfang und Ende einer Aussage durch Intonation gekennzeichnet sind, werden in Gebärdensprachen dazu v.a. nicht-manuelle Komponenten eingesetzt.

 

Kennzeichnung Satzanfang:

  • Hochziehen der Augenbrauen
  • Leichtes Öffnen der Augen
  • Leichtes Hochziehen des Kinns
  • Aufrichten des Oberkörpers
  • Heben der Hände / Arme

 

Kennzeichnung Satzende:

  • Neutrale Mimik
  • Neutrale Position des Kinns
  • Neutrale Position des Oberkörpers
  • oft Kopfnicken
  • oft PALM-UP oder Gebärde ‚FERTIG‘
  • oft Wiederholung und Halten einer Pronominalen Referenz (Subjekt, Objekt)

Jedes Satzglied kann durch zusätzliche Informationen (Attribute) angereichert werden. Zusätzliche Attribute vermitteln genauere Informationen zu einem Geschehen / einer Tätigkeit (was, wie) oder zu einer Eigenschaft. Die zugeschriebene Eigenschaft kann sich dabei auf das Tempo eines Vorgangs (schnell, langsam), auf das Alter (jung, alt), auf die innere Verfassung einer Person (nervös, lustig), das Aussehen einer Sache wie die Farbe (rot) etc. beziehen.

Die Stellung des zusätzlichen Attributs innerhalb eines Satzgliedes kann unterschiedlich sein. Dazu einige Beispiele:

(a) ROT   JACKE  

‚Die rote Jacke.‘ – 00:49 – 00:51

(b) BLAU   AUTO

‚Das blaue Auto.‘ – 00:51 – 01:31

(c) BLAU   AUTO        oder        AUTO   BLAU

‚Das blaue Auto.‘ – 00:56 – 01:06

Die Beispiele (a)/(b) und (c) weisen eine andere Reihenfolge auf. In Beispiel (a) und (b) wird das zusätzliche Attribut dem Substantiv vor-, in Beispiel (c) dem Substantiv nachgestellt. Beide Positionen sind korrekt.

Möglicherweise hängt die Stellung des zusätzlichen Attributes innerhalb eines Satzgliedes davon ab, welcher Teil der Aussage hervorgehoben werden soll: Steht das zusätzliche Attribut vor dem Substantiv, so wird letzteres betont (‚Das blaue Auto.‘), steht es hingegen nach dem Substantiv, so erhält das zusätzliche Attribut mehr Gewicht (‚Das blaue Auto.‘).

Welcher Inhalt betont wird, lässt sich ebenfalls an der Mimik – am Heben der Augenbrauen – ablesen.

Zusätzliche Attribute innerhalb eines Satzgliedes nutzen häufig lexikalisierte Gebärden (‚SCHNELL‘, ‚ROT‘, ‚GRÜN‘, ‚‘LANGSAM, ‚JUNG‘, ‚ALT‘). Innerhalb eines Prädikats werden sie jedoch oft durch – simultan mit dem Verb ausgeführte – nichtmanuelle Komponenten ersetzt, wie das folgende Beispiel zeigt:

(d) BLAU   AUTO   PROD-autofahren(Kurve)

‚Das blaue Auto fährt schnell um die Kurve.‘ – 02:01 – 02:03

Dass das Auto schnell fährt, wird in Beispiel (d) mittels Mundform (‚bam‘) und durch das Tempo der Gebärde ‚FAHREN‘ vermittelt. Dass gleichzeitig eine halbkreisförmige Bewegung ausgeführt wird, zeigt zudem auf, dass das Auto um die Kurve fährt.

Bezüglich Reihenfolge von Verb und zusätzlichem Attribut ist auch folgende Variante zulässig:

(e) AUTO   BLAU   PROD-autofahren(Kurve)

‚Das blaue Auto fährt schnell um die Kurve.‘ – 02:16 – 02:19

Im Gegensatz zu Beispiel (d) steht das zusätzliche Attribut ‚SCHNELL‘ hier nach dem Substantiv.

Es dürfen auch lexikalisierte Gebärden und nichtmanuelle Komponenten kombiniert werden:

(f) AUTO   BLAU   SCHNELL   PROD-autofahren(Kurve)

‚Das blaue Auto fährt schnell um die Kurve.‘ – 02:24 – 02:28

Das schnelle Fahren wird sowohl durch nichtmanuelle Komponenten als auch durch die lexikalisierte Gebärde ‚SCHNELL‘ ausgedrückt.

Das Subjekt nimmt in einem Aussagesatz eine wichtige Rolle ein; deshalb wird es von Zeit zu Zeit wiederholt, oft auch am Schluss noch einmal erwähnt. Die Wiederholung dient der Kohärenz über die gesamte Aussage hinweg und stellt sicher, dass stets Klarheit über den Satzgegenstand besteht.

Die Anordnung Objekt – Subjekt – Prädikat (Verb) (O-S-V) findet in Gebärdensprachen oft Verwendung. Sie entspricht dem Informationsstruktur-Prinzip «Vom Allgemeinen zum besonderen Detail». Steht das Objekt zu Beginn einer Aussage, so erhält es mehr Gewicht; es wird zum zentralen Thema der Aussage gemacht.

Es folgen einige Beispiele einer solchen Fokussierung auf das Objekt:

(a) THEATER   IX-1   1EINTRETENa   |  INTERESSANT    IX-a(HF:5 Bereich)   ||  00:28 – 00:32

‚Das Theater, (das ich besucht habe), war sehr interessant.‘

Zunächst wird ins Thema – ‚das Theater‘ – eingeführt und anschliessend ein Kommentar dazu abgegeben oder es werden spezifische Informationen zum Theaterbesuch angefügt.

(b) GLACE   IXa   IX-1   FEIN   IXa  Geste(sehr)   || 00:41 – 00:44

‚Das Glacé finde ich sehr fein.‘

Auch in diesem Beispiel (b) wird zunächst auf ‚das Glacé‘ fokussiert, dann folgt ein Kommentar dazu.

(c) GESTERN   IX-1   UNFALL  |….. – 00:48– 00:50

‚ … beim gestrigen Unfall … . ‹

In diesem Beispiel (c) wird zuerst in das Thema ‚Ich hatte gestern einen Unfall‘ eingeführt, so dass das Gegenüber sofort im Bilde ist, worum es geht. Anschliessend folgt die genaue Schilderung des Geschehenen. In der deutschen Sprache wird nicht immer gleich zu Beginn einer Aussage so explizit in das übergeordnete Thema eingeführt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Satzglieder Subjekt, Objekt und Prädikat (Verb) innerhalb eines Aussagesatzes nacheinander anzuordnen.

Ein Satz besteht mindestens aus einem Subjekt und einem Prädikat in eben dieser Reihenfolge (S-V).

Wird er um ein Objekt erweitert, sind folgende Anordnungen (welche jeweils mit weiteren Informationen ergänzt werden können) möglich:

  • Subjekt – Objekt – Prädikat (Verb) – … (S-O-V)
  • Subjekt – Prädikat (Verb) – Objekt – … (S-V-O)
  • Subjekt – Prädikat (Verb) – Objekt – Prädikat (Verb) – … (S-V-O-V)

Hier wird das Prädikat (Verb) am Schluss wiederholt.

  • Objekt – Subjekt – Prädikat (Verb) – … (O-S-V)

Das Objekt steht vor dem Subjekt und Prädikat (Verb), wenn auf dieses fokussiert, es also zum zentralen Thema gemacht wird.

Zu den unterschiedlichen Reihenfolgen einige Beispiele:

(a) S – O – V

IX-1   RESTAURANT   1EINTRETENa   ||

‚Ich gehe ins Restaurant.‘ – 00:55 – 00:57

(b) S – V – O

IX-1   1EINTRETENa   RESTAURANT   IXa   ||

‚Ich gehe ins Restaurant.‘ – 01:04 – 01:06

(c) S – V – O – V

IX-1   1EINTRETENa   RESTAURANT   IX-1   EINTRETENa   IXa   ||

‚Ich gehe ins Restaurant.‘ – 01:12 – 01:15

Die Variante (c) unterscheidet sich von der Variante (b) nur durch die Wiederholung des Prädikats am Schluss des Satzes.

Die Beispiele (a), (b) und (c) unterscheiden sich inhaltlich nicht voneinander.

(d) O – S – V

RESTAURANT   IXa   IX-1   EINTRETENa  ||

‚Ins Restaurant gehe ich.“ – 01:19 – 01:22

Das Objekt steht hier bewusst an erster Stelle, um es zu betonen. Gefolgt wird es vom Subjekt und dieses wiederum vom Prädikat (Verb).

Nicht zulässig in der DSGS ist die Reihenfolge O-V-S (Objekt – Prädikat (Verb) – Subjekt). Steht das Objekt an erster Stelle, darf es nicht vom Prädikat (Verb), sondern muss zwingend vom Subjekt gefolgt werden (O-S-V).

Während bei der Abfolge der Gebärden innerhalb von Subjekt, Objekt und Prädikat (Verb) sowie bei der Abfolge zwischen diesen Satzgliedern ein gewisser Spielraum besteht, ist dies beim Referenzieren auf sie nicht der Fall: Jede Bezugnahme auf ein Subjekt beziehungsweise Objekt muss zwingend mit dem entsprechenden Lokus übereinstimmen; jedes Prädikat (Verb) muss ebenfalls die richtige räumliche Anordnung von Subjekt und Objekt/en widerspiegeln.

Die Reihenfolge der einzelnen Gebärden innerhalb der Satzglieder Subjekt, Objekt und Prädikat und auch die Reihenfolge zwischen diesen Satzgliedern sind beide bis zu einem gewissen Grad variabel. Die räumliche Logik und die Informationsstruktur der Gebärdensprache (s. Kapitel 3.10) sind diesbezüglich entscheidend. Beim Referenzieren auf das räumlich verortete Subjekt und/oder Objekt und bei der gegenseitigen Bezugnahme dieser Satzglieder aufeinander besteht jedoch kein Spielraum.

Wie das Subjekt kann auch das Objekt-Satzglied aus mehreren Gebärden bestehen und auch hier spielt die Reihenfolge der einzelnen Gebärden eine untergeordnete Rolle.

Ein Objekt steht oft mit dem Prädikat oder Subjekt in Verbindung; zusammen bilden die drei Satzglieder den Aussagesatz.

Form und Aussehen eines Objekts finden sich im Prädikat wieder, wenn dieses eine produktive Gebärde enthält. Dazu folgendes Beispiel (a):

(a) IX-1   BUCH   PROD-legen(Buch)   ||

‚Ich lege das Buch hin.‘ – 00:43-00:45

Die Gebärde „ICH“ ist in Beispiel (a) Subjekt, die Gebärde „BUCH“ ist Objekt und die produktive Gebärde „BUCH HINLEGEN“ ist Prädikat. Die Handform dieser produktiven Gebärde gibt die Form des Buches wieder, die Bewegung die Handlung des Hinlegens, die Handstellung die Lage des Buches und der Endpunkt der Bewegung den Ort, wo sich das Buch schlussendlich befindet.

Bei der Anordnung von Subjekt, Objekt und Prädikat innerhalb eines Satzes und ihrer Bezugnahme aufeinander sind also räumliche und visuelle Aspekte zu beachten.

Ein Prädikat drückt eine Handlung, eine Aktion, ein Ereignis oder einen Ablauf aus. Es kann aus einem Verb bestehen (einfaches, übereinstimmendes, produktives oder Modal-Verb) oder eine Eigenschaft / einen Zustand des Subjekts oder Objekts beschreiben.

Dazu einige Beispiele:

(a) IX-1   SCHLAFEN   II

‚Ich schlafe.‘ – 00:37-00:39

Das Prädikat in Beispiel (a) besteht nur aus dem einfachen Verb „SCHLAFEN“. Es darf mit weiteren Informationen angereichert werden, wenn die Handlung detaillierter wiedergegeben werden soll:

(b) IX-1   SCHLAFEN   PROD-halten(Bettdecke)   II

‚Ich schlafe unter der Decke.‘ – 00:55-00:58

Mit dem Hinzufügen der produktiven Gebärde wird das Hochziehen der Decke angezeigt. Damit wird ausgedrückt, dass die gebärdende Person im Bett liegt und schläft.

Im folgenden Beispiel wird mit dem Prädikat eine Eigenschaft beziehungsweise ein Merkmal einer Katze näher beschrieben:

(c) IXa   KATZE   PROD-Form(Ohrspitz)  ||

‚Die Katze hat spitze Ohren.‘ – 01:07-01:10

In Beispiel (d) wird der Zustand eines Subjekts durch das Prädikat ausgedrückt:

(d) IX-3   FRAU   KRANK   IX-3  ||

‚Die Frau ist krank.‘ – 01:30-01:32

Zum Prädikat können also sowohl eine Handlung wie auch eine Eigenschaft oder ein Zustand gehören.

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