Personalpronomen sind lexikalisierte Gebärden. Sie werden folgendermassen im Raum verortet:

 

1. Person Singular (Dt. ich)

ICH  = (IX-1)          kurze Zeigebewegung auf sich selber

00:06-00:08

 

2. Person Singular (Dt. du/Sie)

DU   = (IX-2)           kurze Zeigebewegung auf Gesprächspartner:in

00:09-00:11

 

3. Person Singular (Dt. er, sie, es)

IX-3                          kurze Zeigebewegung seitlich nach rechts/links

– 00:12-00:16

 

1. Person Plural (Dt. wir) 

IX-1pl                     Kreisbewegung mit dem Zeigefinger nach oben gerichtet nahe am Oberkörper

– 00:18-00:20

 

2. Person Plural (Dt. ihr)

IX-2pl                 Horizontaler Bogen mit dem Zeigefinger nach vorne gerichtet von links nach rechts oder hin und zurück

IX-2pla, b, c … 

– 00:21-00:25

 

3. Person Plural (Dt. sie)

IX-3pl               Kreisbewegung mit dem Zeigefinger nach unten gerichtet links oder rechts

IX-3pla, b, c…

– 00:24-00:25

 

Eine wichtige Rolle bei der Unterscheidung von 2. und 3. Person spielt die Blickrichtung. Bei der 2. Person bleibt der Blick auf den/die anwesende Adressat:in gegenüber gerichtet. Die 3. Person wird durch einen kurzen seitlichen Blick nach rechts oder links Richtung Referent:in signalisiert.

Ein Index  – Handform ist immer genderneutral, gibt also nicht an, ob der oder die Referent:in weiblich, männlich oder sächlich ist. Um das Geschlecht zu markieren, wird die Gebärde MANN oder FRAU dem Index vor- beziehungsweise nachgestellt.

Personalpronomen stehen sowohl stellvertretend für Konkretes (Personen, Tiere und Dinge) wie auch für abstrakte Konzepte wie z.B. ‘morgen’ oder ‘Die Liebe’. In DSGS werden Personalpronomen in Form von Indexen realisiert. Die Loki, auf die sie Bezug nehmen, fungieren dabei als eine Art mentaler Platzhalter im Raum für zuvor bezeichnete Referent:innen.

Eine Pronominale Referenz wird in der DSGS oft mittels ausgestrecktem Zeigefinger, dem sogenanntem Index realisiert. Er steht stellvertretend für zuvor im Gebärdenraum verortete Referent:innen wie Personen, Tiere, konkrete Dinge oder abstrakte Konzepte wie z.B. den Begriff Liebe in Beispiel:

(a)

LIEBE  IXa  |  ALLGEMEIN   INHALT   SCHWIERIG  ||00:41-00:46

‘Die Liebe … sie ist ein komplexes Thema.’

 

Der Lokus fungiert dabei als mentaler Platzhalter für ‘Die Liebe’, auf den mittels Index Bezug genommen werden kann.

Der grammatikalische Raum ist kein Abbild der tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten und Bezüge. Die gebärdende Person kann entscheiden, wo im Gebärdenraum sie die Referent:innen verorten möchte. Dazu ein Beispiel:

(a)

HASE  IXa  |  HAUS  IXb  |  AUTO  IX||00:18-00:22

‘Der Hase, das Haus, das Auto.’

Da sich der grammatikalische Raum nicht auf reale Gegebenheiten bezieht, beansprucht er weniger Platz. Referent:innen werden in der Regel auf Brusthöhe platziert,

können jedoch auch höher, tiefer oder nach vorne verortet werden. Eine höhere oder tiefere Verortung hängt mit dem Status (z.B. Vorgesetzte – Untergebene), der Funktion oder der Position einer Person beziehungsweise eines Objektes (oben an einem Baum hängend, sitzen oder liegen) aus der Perspektive der gebärdenden Person zusammen.

Der reale Raum wird benutzt, wenn gebärdende Personen miteinander über das Hier und Jetzt kommunizieren. Er bezieht sich auf physisch anwesende Referent:innen in der aktuellen Umgebung und gibt die tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten und Bezüge wieder. Ein Beispiel:

(a)
DU KOCHEN  |  ICH  1HELFEN2  PROD-schneiden  || -00:17-00:20

‘Du kochst und ich helfe dir beim Zubereiten.’

 

Im folgenden Satz wird ein Kind im Gespräch auf unterschiedliche Dinge in der Umgebung hingewiesen:

(b)

HASE  IXa   HÜPFEN  |  HAUS  IX|  AUTO  IXc  ||00:23-00:29

‘Dort hüpft ein Hase, dort ist ein Haus, hier ein Auto.’

Der reale Raum bezieht sich auf physisch anwesende Referent:innen in der aktuellen Umgebung der gebärdenden Person und gibt die tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten und Bezüge wieder.

Ein Beispiel:

(a)

DU  KOCHEN  |  ICH  1HELFEN2   PROD-schneiden  ||00:17-00:20

‘Du kochst und ich helfe dir beim Zubereiten.’

 

Im folgenden Satz wird ein Kind im Gespräch auf vorhandene Dinge in der Umgebung hingewiesen:

(b)

IXa  HAUS  IXa  |  IXb  KATZEb  |  IXc  BAUM||00:23-00:29

‘Hier ist ein Haus, da eine Katze und dort steht ein Baum.’

Wird über Erlebtes oder nicht physisch präsente Referent:innen berichtet, so kommt der grammatikalische Raum zur Anwendung. Die Verortung der Referent:innen entspricht nicht den tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten.

 

(c)

HAUS  IXa  |  BAUM  IX  ||00:44-00:47

‘Dieses Haus, jener Baum.’

Im topografisch Raum wird eine mentale Vorstellung des bereits erlebten realen Raums abgebildet, als würde man beim Erzählen wieder in diesen eintauchen. Die Anordnung der Referent:innen spiegelt dabei die realen Raumverhältnisse in der erlebten Situation. Auf die unterschiedlichen Perspektiven, welche dabei eingenommen werden können, wird im Kapitel Rollenwechsel eingegangen (siehe Kapitel 11).

Um auf Menschen, Dinge, Tiere und abstrakte Ideen im weiteren Verlauf einer Aussage wieder Bezug nehmen, also referenzieren zu können, werden ihnen in Gebärdensprache symbolische Räume beziehungsweise Loki (Ausführungsstellen im Gebärdenraum) zugewiesen. Diese fungieren als mentale Platzhalter für die tatsächlichen Referent:innen beziehungsweise Entitäten und erhalten damit grammatikalische Bedeutung. Die Anordnung im Raum kann die tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten spiegeln.

Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, den Gebärdenraum zu nutzen, um Referent:innen zu verorten und auf sie zu referenzieren. Für physisch anwesende und konkrete Referent:innen wird der sogenannte reale Raum verwendet, welcher die tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten im Hier und Jetzt wiedergibt. Im grammatikalischen Raum werden abwesende oder abstrakte Referent:innen verortet. Der topografische Raum hat einen Bezug zum realen Raum. Er bildet Referent:innen und ihre Verhältnisse zweidimensional auf einer vertikalen oder horizontalen Ebene (imaginäre Landkarte) oder dreidimensional (auf einer imaginären Weltkugel) ab. Die gebärdende Person kann den topografischen Raum je nach eingenommener Perspektive unterschiedlich strukturieren und den Massstab, in dem die Verhältnisse wiedergegeben werden, variieren.

Die Unterscheidung zwischen realem, grammatikalischem und topografischem Raum ist rein «konzeptuell».  Die Bezugnahme auf Referent:innen findet im gleichen tatsächlichen Gebärdenraum statt. Das Indizieren innerhalb eines dieser Räume sieht in seiner Form gleich aus.

Handelt es sich bei einer Verneinung um eine Aufforderung oder Bitte, etwas nicht zu tun, so wird die Bewegung der verneinenden Gebärden ‚NICHT‘ (mit Zeigefinger-Handform B  oder offener Hand 5 ) oft wiederholt. Zusätzlich dazu spielt die Ausführungsstelle eine wichtige Rolle. Zwei Aussagen, welche an zwei unterschiedlichen Loki verortet sind, werden einander gegenübergestellt: Der erste Lokus steht für die Aussage ‘So soll es nicht sein’ und der zweite Lokus für die Aussage ‘So soll es sein’.

 

(a) NICHT++ ( klein)

(b) NICHT++ (Hf-5: klein)

‘So soll es nicht sein – so soll es sein.’

– 00:45-00:48

 

Die nichtmanuellen Komponenten sind ebenfalls daran beteiligt, eine Aufforderung oder Bitte zu transportieren: Oberkörper und Kopf sind nach vorne gerichtet.

 

Die rückwärtsgerichtete Haltung kommt – im Gegensatz zur Ablehnung in dieser Position – einer Abschwächung der Aufforderung oder Bitte gleich.

 

Im Gegensatz zum Befehl, welcher eine einmalige Bewegung der verneinenden Gebärden ‚NICHT‘ erfordert, wird die Bewegung bei einer Aufforderung wiederholt.

Die manuellen Komponenten Bewegung und Handform spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, eine Verneinung als Befehl zu gestalten. Da es sich bei einem Befehl per se um eine Verstärkung handelt, muss die verneinende Gebärde ‚NICHT‘ (mit Zeigefinger-Handform) zwingend mit einmaliger Bewegung ausgeführt werden.

 

(a) NICHT(scharf, fest) Zeigefinger-Handform einhändig – 00:38-00:39

‚Nicht!‘

 

Der Befehl selbst kann ebenfalls noch verstärkt werden, indem die Gebärde ‚NICHT‘ zweihändig oder mit der offenen Hand 5  (einhändig oder zweihändig) ausgeführt wird:

 

(b) NICHT(1x, Hf-5: scharf, fest)  offene Hand einhändig – 00:041-00:42

‚Nicht!!‘

 

(c) NICHT(scharf, fest, 2H)  Zeigefinger-Handform zweihändig – 00:42-00:43

‚Nicht!!‘

 

(d) NICHT(Hf-5, scharf, fest, 2H)  offene Hand zweihändig – 00:43-00:44

‚Nicht!!‘

 

Die Beispiele (a) bis (d) zeigen deutlich, dass die Stärke und Dynamik der Bewegung und die Mimik dazu beitragen, den Befehl beziehungsweise die Verstärkung des Befehls umzusetzen. Wichtig dabei ist, die einmalige Bewegung bestimmt, klar und deutlich auszuführen.

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