Wo im Satz eine lexikalisierte Ergänzungsfrage steht, ist abhängig von der Länge eines Satzes. In kurzen Sätzen steht sie meist am Anfang. Es ist möglich, sie am Satzende zu wiederholen oder aber die Gebärde ‘PALM-UP(?)hinzuzufügen, welche gehalten wird, um das Gegenüber zu einer Antwort aufzufordern. In langen Sätzen folgt die Ergänzungsfrage meist nach der Einführung ins Thema, auf welches sie sich bezieht.

Zu beachten gilt, dass die Entscheidungsfrage oft durch die Gebärde ‘PALM-UP(?)(einhändig oder zweihändig) ausgedrückt wird, welche am Satzanfang oder Satzende steht.

Es folgen kurze und lange Satzbeispiele zu den Fragen ‘WO?’ (1.), ‘WARUM?’ (2.), ‘WIE?’ (3.) und ‘WAS?’ (4.):

Nähe beziehungsweise Distanz

Es stellt sich hier die Frage, wie nahe sich gebärdende Person und Adressat:innen sind, ob und wie gut sie sich kennen. Zu Familienangehörigen oder Freunden beispielsweise besteht grosse Nähe, zu anderen Personen mehr oder weniger grosse Distanz. Nähe und Distanz zwischen gebärdender Person und Adressat:innen sind auch beeinflusst vom Ort oder dem Anlass der Begegnung. Dies kann zum Beispiel die Schule, Sport, Freizeit oder der Arbeitsplatz sein.

Bei grosser Nähe reicht in der Regel eine kurze Frage, bei grösserer Distanz kann ein längerer Fragesatz angezeigt sein.

 

Status

Der Status zwischen den Beteiligten beziehungsweise die Statusunterschiede (zum Beispiel Kommunikation mit Vorgesetzten oder Politiker:innen) beeinflussen ebenfalls die Länge des Fragesatzes. Ein kurzer Fragesatz ist bei gleichem Status der Beteiligten die Regel, ein längerer Fragesatz bei Statusunterschieden, welche automatisch mit grösserer Distanz einhergehen.

 

Alter

Die gebärdende Person und die Adressat:innen können gleich alt sein oder es kann ein Altersunterschied bestehen. Besteht kein beziehungsweise ein geringer Altersunterschied, so kann der Fragesatz kurz gehalten werden. Bei einem grossen Altersunterschied – unabhängig in welche Richtung – wird in der Regel ein längerer Fragesatz gebildet.

Die drei Aspekte Nähe-Distanz, Status und Alter können sich gegenseitig beeinflussen. Sind sich die Beteiligten zum Beispiel trotz grossem Altersunterschied sehr nahe (z.B. Enkelkind-Grossmutter), wird ein kurzer Fragesatz gebildet.

 

Anzahl Adressat:innen

Eine Frage kann zum Beispiel in einer 1:1-Situation, einer 5er-Gruppe oder einer Gruppe von 50 Personen gestellt werden. Ist nur ein/e Adressat:in anwesend, so kann ein kurzer Fragesatz genügen. Richtet sich die Frage aber an eine grosse Gruppe, so wird er länger sein.

 

Inhalt des Kommunikationsanlasses

Ein kurzer Fragesatz genügt, wenn sich zwei Beteiligte sehr gut kennen, sich täglich sehen und sich über Alltägliches unterhalten. Wird jedoch ein neues Thema, ein anderes Fachgebiet oder ein thematisch neuer Bereich angeschnitten, so wird der Fragesatz automatisch länger.

Es gilt also diese fünf Aspekte zu beachten, wenn es darum geht, ob ein Fragesatz kurz gehalten werden kann oder ob eine längere Formulierung nötig ist.

Die Stellung der Ergänzungsfrage (W-Frage wie ‚WARUM‘‚WIE‘, ‚WER‘ etc.) im Satz ist abhängig von seiner Länge. Im nächsten Kapitel werden die unterschiedlichen Positionen der Ergänzungsfrage in kurzen Sätzen und langen Sätzen gegenübergestellt. 

Die Länge eines Ergänzungsfragesatzes wiederum wird beeinflusst vom Kontext, welcher folgende Aspekte umfasst:

  • Nähe beziehungsweise Distanz zwischen gebärdender Person und Adressat:innen
  • Status von gebärdender Person und Adressat:innen
  • Alter von gebärdender Person und Adressat:innen
  • Anzahl Adressat:innen
  • Inhalt des Kommunikationsanlasses

(a) WORÜBER

ÜBER + PALM-UP(?) + IX

00:01-00:03

Die Frage-Gebärde ‘WORÜBER?’ bezieht sich auf ein Thema, von welchem die Rede ist.

Die Frage ‘mit wem?’ ist zwingend an eine pronominale Referenz gebunden (siehe Kapitel 2). Je nachdem, auf welche Anzahl Referent:innen (einzelne Person, Gruppe, mehrere Personen) sie sich bezieht, wird der zweite Teil der Frage unterschiedlich umgesetzt. Der erste Teil der Frage (‘MIT?’) bleibt sich gleich:

 

(a) MIT WEM?

MIT + PALM-UP(?)

Der Gebärde ‘MIT’ (einhändig oder zweihändig) folgt die Gebärde ‘PALM-UP(?)’.

 

(b) MIT WEM? (Einzelperson)

                                                                      w-?

MIT  PALM-UP(?) 2BEIDE3  |  IX-3  PERSON  ||00:27-00:30

‘Mit welcher Person zusammen (du und wer)?’

Die Frage bezieht sich in diesem Beispiel (b) auf eine einzelne Person. Dies wird durch die Gebärde ‘PERSON’ ausgedrückt.

 

(c) (MIT) WEM? (Gruppe)

                                                                        w-?

IX-2  MIT  PALM-UP(?)  GRUPPE  INHALT  ||00:00-00:05

‘Mit wem bist du in der Gruppe?’

Hier bezieht sich die Frage auf eine Gruppe von Personen, daher wird die Gebärde ‘GRUPPE’ gebildet.

Die Gebärde ‘WANN’ kann in zwei Varianten ausgeführt werden:

 

(a)                                                  (b)

(a) – 00:02-00:03

(b) – 00:07-00:08

 

Die zweite Variante (b) besteht aus der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ mit begleitendem Mundbild ‘wann’.

 

Die Frage ‘wann?’ bezieht sich auf eine Zeitangabe; daher werden Zeitmarker (siehe Kapitel 12) in solchen Fragesätzen hinzugefügt. Dazu folgen zwei Beispiele:

(c)

                                                                                            w-?

WANN(Nase)  VERGANGENHEIT  IX-2  BEGONNEN  LERNEN   ||00:17-00:21

‘Wann hast du mit Lernen angefangen?’

In diesem Beispiel (c) wird die erste Variante der Gebärde ‘WANN?’ benutzt und mit der rückwärts gerichteten Gebärde ‘SEIT’ (Vergangenheit) kombiniert.

 

(d)

                                                                                w-?

WANN   NÄCHSTE  IX-2   FERIEN  WEGGEHEN  ||00:21-00:24

‘Wann wirst du in die Ferien gehen?’

Auf die Gebärde ‘WANN?’ (Variante 1) folgt eine vorwärts gerichtete Gebärde (‘SPÄTER’, ‘NÄCHSTE’) (Zukunft). Es wäre auch möglich, anstelle der Variante 1 die Variante 2 der Gebärde ‘WANN?’ zu benutzen.

 

(e)

                                                                                         w-?

WANN  ZEITMARKER ZL-B (zwischen)   IX-2   2BESUCHEN1   || 00:29-00:31

‚Wann ungefähr kommst du mich besuchen?‘

Auch in diesem Beispiel folgt der Gebärde ‘WANN?’ ein Zeitmarker (‘WÄHREND’).

Es existieren 3 mögliche Varianten der Frage ‘WARUM?’:

 

(a)                      (b)                               (c)

(a)  – 00:01-00:03

(b)  – 00:04-00:06

(c)  – 00:06-00:08

 

Die erste Variante (a) besteht aus der lexikalisierten Gebärde ‘WARUM?’. Die Finger bleiben geschlossen, die Gebärde wird vom Mundbild ‘warum’ begleitet. Die zweite Variante (b) besteht ebenfalls aus der lexikalisierten Gebärde ‘WARUM?’, wobei sich hier die Finger öffnen. Die dritte Variante (c) wird aus der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ gebildet und vom Mundbild ‘warum’ begleitet. Die beiden ersten Varianten können mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ ergänzt werden.

 

Ein Beispiel mit der Frage ‘WARUM’:

 

(d)

                                                                                                                                                    w-?

WARUM   IX-2  WILL  IX-2  ITALIENISCH  LERNEN  IX-2  |  PALM-UP(?) ||

‘Warum willst du italienisch lernen?’

00:17-00:20

(a)

WIEVIEL

00:00-00:03

 

Die Frage ‘wie viel?’ bezieht sich auf eine (An)Zahl, wie in folgenden Beispielen nachgefragt:

(b)

                                                                                     w-?

IX-2  WIEVIEL  IX-2  APFEL  SCHON  ESSEN  IX-2    ||

‘Wie viele Äpfel hast du schon gegessen?’

00:08-00:12

 

(c)

                                                                           w-?

Frage: WIEVIEL   ZEIT(Handgelenk)  JETZT  ||

Antwort: HALB   ZWEI-UHR(mb:uhr)

A: ‘Wie viel Uhr ist es?’

B: ‘Halb zwei Uhr.’

00:13-00:16

 

Folgende Umsetzungen der Frage ‘wie viel?’ als Kombination aus ‘WIE’ und ‘VIEL’ sind nicht korrekt (*):

 

(d)

*‘WIE’ + ‘VIEL’  (2 Varianten von ‘VIEL’)

00:20-00:20

(a) WIE LANGE

WIELANGE und PALM-UP(?)

00:00-00:04

 

Die Gebärde ‘WIE LANGE?’ setzt sich nicht aus den Gebärden ‘WIE?’ und ‘LANGE’ zusammen. Das ‘wie?’ ist nur auf dem begleitenden Mundbild ersichtlich. Anschliessend an die Gebärde ‘LANGE’ folgt die Gebärde ‘PALM-UP(?)’:

Mit der Frage ‘wie lange?’ wird nach einer Zeitdauer gefragt, daher kommen in solchen Fragesätzen oft Zeitmarker-Techniken (siehe Kapitel 12) zum Einsatz, wie folgende Beispiele veranschaulichen:

 

(b)

                                                                                                                w-?

WIELANGE  IX-2   ZEITMARKER ZL-C (Vergangenh.-jetzt)  SCHON  HIERBLEBEN  IX-2  ||

‘Wie lange bist du schon hier?’

00:20-00:25

 

In diesem Beispiel (b) begleitet das Mundbild ‘wie lange’ die Gebärde ’DU’, LANGE’, ‘DU’ und den Zeitmarker.

 

(c)

                                                                                                                                      w-?

WIELANGE  IX-2   ZEITMARKER ZL-B (A-B Dauer)  FERIEN  IX-2  ZEITMARKER ZL-B (A-B Dauer)  ||

‘Wie lange hast du Ferien?’

00:26-00:29

 

In Beispiel (c) begleitet das Mundbild ‘wie lange’ die Gebärde ’DU’, LANGE’ und den Zeitmarker.

 

Nur in Einzelfällen folgt der Gebärde ‘WIE LANGE’ kein Zeitmarker.

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