Besitz beziehungsweise Eigentum wird in der Regel durch ein Possessivpronomen gefolgt vom entsprechenden Nomen ausgedrückt (‘meine Mama’):
(a)
POSS-1 MUTTER | POSS-2 MUTTER und POSS-3 MUTTER || – 00:08-00:12
Es ist aber auch möglich, das Nomen durch sein Mundbild zu ersetzen und dieses zeitgleich mit dem Possessivpronomen zu produzieren:
(b)
POSS-1(mb:mama) – 00:14-00:15
(c)
POSS-1(mb:vater) oder POSS-1(mb:tochter) – 00:24-00:25
Diese Kurzformen kommen häufig im Zusammenhang mit familiären Beziehungen zum Tragen.
Die Possessivpronomen (POSS) im Singular sehen folgendermassen aus:
POSS-1 – 00:11
Handform mit Handfläche auf die Brust (Dt. mein)
POSS-2 – 00:14-00:16
Handform mit Handfläche und Blick (Dt. dein) auf Gesprächspartner:in gerichtet
POSS-3 – 00:19-00:20
Handform mit Handfläche (Dt. sein/ihr) seitlich zum Lokus IX3, Blick kurz zu IX3 und zurück zum Gegenüber
Die Possessivpronomen im Plural werden gebildet durch das jeweilige Possessivpronomen im Singular und das Hinzufügen des entsprechenden Personalpronomens (‘mein + wir’, ‘dein + ihr’, ‘sein/ihr + sie):
POSS-1 + IX-1pl – 00:36-00:43
Handform mit Handfläche auf Brust + kreisende Bewegung mit Zeigefinger
oder
POSS-1 + IX-1pl(Hf-5) – 00:36-00:43
+ kreisende Bewegung mit 1 – Handform (Handfläche nach unten)
POSS-2 + IX-2pl – 00:52-00:53
Handform mit Handfläche gegen und Blick auf Gesprächspartner:in gerichtet + kreisende Bewegung mit Zeigefinger
oder
POSS-2 + IX-2pl(Hf-5) – 00:52-00:53
+ lateral von links nach rechts
POSS-3 + IX-3pl – 01:01-01:04
Handform mit Handfläche seitlich zum Lokus IX3, Blick kurz zu IX3 und zurück zum Gegenüber + kreisende Bewegung mit Zeigefinger
oder
POSS-3 +IX-3pl(Hf-5) – 01:01-01:04
+ Handform kreisend und seitlich zum Lokus IX3
Das Bilden oder Unterteilen von Gruppen von Referent:innen geschieht durch die Bewegungsausführung: Es wird die Zahlgebärde mit der entsprechenden Anzahl an ausgestreckten Fingern gebildet, danach schliessen sich die Finger, um den Daumen zu treffen:
(a) FÜNF – 00:11-00:12
In folgendem Beispiel wird eine Gruppe bestehend aus zehn Frauen unterteilt in zwei Dreier- und eine Vierergruppe. Zuerst bildet die dH die Gebärde ‘DREI’ mit der Handfläche nach oben, dann modifiziert sie diese zu einer Gruppe, indem sie die Hand leicht nach unten bewegt und die Finger zum Daumen schliesst. Die ndH macht dasselbe mit Modifikationen für eine weitere 3er-Gruppe und tut dies dann noch einmal mit der Gebärde ‘VIER’ (ebenfalls mit der Handfläche nach oben). Diese drei Untergruppen werden an leicht unterschiedlichen Stellen im Raum platziert.:
(b)
IX-3pl ZEHN FRAU IX-3pl | ICH DREI(Gruppe)a DREI(Gruppe)b VIER(Gruppe)c VIER – 00:12-00:14
‘Die Gruppe von zehn Frauen habe ich in zwei Dreiergruppen und eine Vierergruppe eingeteilt.’
Auf diese Weise kann zum Beispiel in Gruppenarbeiten eingeführt werden.
Die Art und Weise der Bewegung bei der Ausführung der Zahleninkorporation informiert darüber, ob die gebärdende Person auch in die Gruppe eingeschlossen ist oder ob mehrere Gruppen (‘ihr’ und ‘sie’) zu einer grösseren Gruppe zusammengeschlossen werden.
Im folgenden Beispiel zunächst eine Äusserung im exklusiven Plural, in welchen weder die gebärdende Person noch der/die Adressat:in eingeschlossen sind:
(a) ‘sie/die 5er-Gruppe’ – 00:29-00:30
Berührt die kreisende Bewegung der Hand den Oberkörper der gebärdenden Person, dann ist sie in die Gruppe eingeschlossen, es handelt sich also um einen inklusiven Plural:
(b) ‘5er-Gruppe inkl. ich’ – 00:31-00:32
Wenn die Bewegung die räumlichen Bezugspositionen sowohl der zweiten als auch der dritten Person einschliesst, dann werden diese als zu einer Gruppe gehörig bezeichnet:
(c) ‘5er Gruppe bestehend aus euch und ihnen’ – 00:41-00:42
Wenn die Bewegung der Gebärde eine Berührung mit dem Oberkörper der gebärdenden Person beinhaltet, wird auch diese in die Gruppe einbezogen:
(d) ‘5er Gruppe bestehend aus euch und mir’ – 00:48-00:50
Bewegung, Position und Körperkontakt geben somit Auskunft darüber, wer Teil der Gruppe ist. (Inklusiver vs. Exklusiver Plural)
Die Pluralpronomen machen keine Angaben zur genauen Anzahl der enthaltenen Referent:innen. Gruppierungen bis zu fünf können jedoch durch die Inkorporation der entsprechenden Zahl dargestellt werden.
Nachfolgend einige Beispiele, wie diese Inkorporationen ausgeführt werden:
(a)
IX-3pl(Zahl-fünf) – 00:20-00:42
Bei Gruppen von über fünf Referent:innen wird die entsprechende Zahlgebärde dem Pluralpronomen vorangestellt: Ein Beispiel:
(b)
SIEBEN IX-3pl
SIEBEN PERSONpl IX-3pl
SIEBEN IX-2pl
SIEBEN PERSONpl IX-3pl
Wenn mehrere Referent:innen verortet werden sollen, so geschieht dies an unterschiedlichen Stellen (Loki) im Gebärdenraum. Rechtshänder:innen setzen Indexe eher vor dem Körper bis rechts im Gebärdenraum, bei Linkshänder:innen verhält es sich genau umgekehrt.
Die nichtdominante Hand (ndH) kann das Indexieren auf zuvor mit der dominanten Hand (dH) verortete und indexierte Referent:innen übernehmen. Zur Verdeutlichung ein Beispiel:
(a)
dH: POSS-1CHEF IX-3 NICHT DA | SELBER3 NICHT EINVERSTANDEN | HEUTE FREI || – 00:28-00:37
ndH: IX-3(hold) –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– ||
Mein Chef ist nicht da. Er ist nicht einverstanden, dass wir heute frei nehmen.
In diesem Beispiel wird der ‘Chef’ zunächst mit der dH verortet und indexiert. Anschliessend übernimmt und hält die ndH den Index (‘er’). Das Halten (hold) durch die ndH dient dabei als Orientierungspunkt. Während mit der dH weiter gebärdet wird, bleibt ersichtlich, welcher Teil der Aussage sich auf den Chef bezieht. Die gehaltene Indexierung durch die ndH wird als Boje bezeichnet. Wie eine schwimmende Boje ein Schiff an Ort und Stelle hält, so hält diese Boje die Referenz über mehrere mit der dH ausgeführte Gebärden hinweg aufrecht. Das gleichzeitige Benutzen der dH und ndH macht die Kommunikation effizient und stellt stets klar, auf welche Referent:in Bezug genommen wird.
Die Gebärde ‘SELBER’ kann auch eine reflexive Bedeutung haben (analog zum Reflexivpronomen im Deutschen). Sie betont dann, dass eine Handlung von der handelnden Person selbst ausgeführt wird. Die Gebärde ‘SELBER’ wird an jenem Lokus produziert, an dem zuvor die Person verortet wurde. Dazu ein Beispiel:
(a)
EIN MÄDCHEN KLEIN IX-3 SELBER3 PROD-waschen(Gesicht) II – 00:11-00:16
‘Ein kleines Mädchen wäscht sich sein Gesicht.’
Hierzu ein Satzbeispiel:
(b)
GESTERN POSS-1 FREUND ICH IX-3 1TREFFEN3a |
(mit NMK-Mimik diese! SELBER3) ) ICH KENNEN 1BEIDE3 AUFWACHSEN || – 00:12-00:20
‘Gestern habe ich meine Freundin getroffen, die ich von klein auf kenne.’
Der Bezugsindex nimmt innerhalb eines Satzes die Funktion eines Relativpronomens ein. Der Index wird von einer bestimmten Mundform und Kopf- und Oberkörperhaltung begleitet:
(a)
Blickrichtung/Mimik: ix-3 (bestimmt/diese!)
Hände: IX-3 – 00:00-00:04
Ein Bezugsindex verbindet zwei Hauptsätze (b) zu einem Satzgefüge (c):
(b)
Satz 1: GESTERN POSS-1 FREUND IX-3 ICH 1TREFFEN3 ||
Satz 2: IX-3ICH KENNEN SCHON VERGANGENHEIT(mb:lange) || – 00:30-00:37
‘Gestern habe ich meine Freundin getroffen. Ich kenne sie schon lange.’
Nichtmanuelle Komponenten markieren den Unterschied zwischen dem Hauptsatz (1) und dem eingebetteten Relativsatz (2).
(c)
GESTERN POSS-1 FREUND | (mit NMK-Mimik: ICH IX-3 ICH KENNEN VERGANGENHEIT(mb:schonlang) AUFWACHSEN) | ICH 1TREFFEN3 || – 00:43-00:50
Satz (1): Kinn: hoch Satz (2): Kopf hinten+Mimik gespannt Satz (1) Kinn: hoch
‘(1) Gestern habe ich meine Freundin, (2) die ich schon seit meiner Kindheit kenne, (1) getroffen.’
Der Bezugsindex liefert also zusätzliche Informationen zur/zum eingeführten Referent:in und leitet einen Relativsatz ein.
Zur Veranschaulichung ein weiteres Beispiel zweier Hauptsätze (d), die mittels Bezugsindex zu einem Satzgefüge (e) zusammengeführt werden:
Satz 1: VERGANGENHEIT SOMMER FERIEN | ICH IXa HOTEL IXa WEILENa ||
‘Die letzten Sommerferien habe ich im Hotel verbracht.’
Satz 2: POSS-1 MUTTER IX-3 VORSCHLAGEN IXa HOTEL || – 00:00-00:10
‘Meine Mutter hatte mir dieses Hotel vorgeschlagen.’
Satz 3: VERGANGENHEIT SOMMER FERIEN ICH IXa HOTEL | (mit NMK-Mimik: IXa POSS-1 MUTTER VORSCHLAGENa IXa) | ICH IXa WEILEN FERIEN IXa || – 00:17-00:24
‘(1) Die letzten Sommerferien habe ich in dem Hotel, (2) das mir meine Mutter vorgeschlagen hatte, (1) verbracht.’
Die einzelnen Satzteile sind durch unterschiedliche Mimik und Stellung von Kopf und Oberkörper gekennzeichnet, wie in folgendem Beispiel erläutert wird:
IXa BROT IXa (Mit NMK-Mimik: GESTERN ICH KAUFEN IXa) FEIN (Geste: sehr) || – 00:00-00:07
‘Das Brot, das ich gestern gekauft habe, ist sehr fein.’
Mimische Hinweise auf einen Relativsatz können subtiler ausfallen und von anderen Intentionen überlagert sein:
IXa HEMD IXa NEU (Mit NMK-Mimik: DU GESTERN KAUFEN IXa) IXa ICH GEFALLEN NICHT || – 00:04-00:06
‘Das neue Hemd, das du ja gestern gekauft hast, gefällt mir nicht.’
Der/die eingeführte Referent:in (das neue Hemd) (Topikalisierung) wird durch den Relativsatz spezifiziert (‘das du gestern gekauft hast’). Der Bezug wird durch die leicht geschlossenen Augen hergestellt. Das Kopfnicken bringt das gemeinsame Vorwissen zum Ausdruck (‘wie wir beide wissen’):
Danach folgt der Kommentar zum/zur Referent:in (‘gefällt mir nicht).
Die einzelnen Aussagen werden durch die wechselnde Stellung von Oberkörper und Kopf differenziert.
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