Kapitel 11: Rollenwechsel – Einführung

Gedanken, Emotionen, Aussagen und Gespräche können in jeder Sprache aus unterschiedlichen Perspektiven wiedergegeben werden: Aus einer distanzierten oder einer direkten Perspektive. In gesprochenen (und geschriebenen) Sprachen werden die beiden Perspektiven als indirekte und direkte Rede bezeichnet. Ähnlich funktioniert dies in Gebärdensprachen: Sie unterscheiden zwischen Erzähl-Perspektive und Teilnehmenden-Perspektive.

Durch die direkte Rede entsteht der Eindruck, dass Aussagen, Gespräche usw. unvermittelt und szenisch wiedergegeben werden.

Die DSGS benutzt, wie die meisten Gebärdensprachen, häufig diese Teilnehmenden-Perspektive. Realisiert wird sie durch den sogenannten Rollenwechsel.

Im Unterschied zu gesprochenen (und geschriebenen) Sprachen können in Gebärdensprachen auch Handlungen, also nicht-verbale Aspekte eines Ereignisses, aus einer direkten, aus der Teilnehmenden Perspektive dargestellt werden: Die gebärdende Person kann die Handlung oder (Fort-)Bewegung einer Person oder eines Tieres sowie die Funktionsweise eines Objektes auf diese Art und Weise wiedergeben beziehungsweise imitieren. In Gebärdensprache gibt es also den konstruierten Dialog (constructed dialog, CD) und die konstruierte Handlung (constructed action, CA), wobei sich beide Techniken überlappen können. Der Begriff «konstruiert» verweist darauf, dass eine Äusserung oder eine Handlung für die aktuellen Adressat:innen rekonstruiert wird.

Der Blick der gebärdenden Person ist bei der Teilnehmenden-Perspektive nicht auf die Adressat:innen gerichtet und das ICH repräsentiert immer diejenige/n Referent:innen, deren Rolle die gebärdende Person gerade übernimmt. In der Erzähl-Perspektive bezieht sich das ICH immer auf die gebärdende Person selbst, ihr Blick richtet sich in der Regel auf die Adressat:innen.

 

Hinweise auf einen Rollenwechsel sind u.a. die Wiedergabe der tatsächlichen physischen Positionen, der hierarchischen Verhältnisse und der räumlichen Perspektiven.

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