Eine Frage ist hauptsächlich an den nichtmanuellen Komponenten, insbesondere an der Mimik und an der Haltung von Kopf und Oberkörper erkennbar. Es existieren ebenfalls lexikalisierte Gebärden (manuelle Komponenten) für Fragen. Hauptmerkmal einer Frage sind jedoch die nichtmanuellen Komponenten, welche simultan zum Gebärdeten – also über mehrere Gebärden hinweg – ausgeführt werden.
Es existieren zwei Arten von Fragen: Entscheidungsfragen (geschlossene Fragen), welche lediglich mit ‘ja’ oder ‘nein’ beantwortet werden können, die sogenannten Ja/Nein-Fragen, und Ergänzungsfragen (offene Fragen), die sogenannten W-Fragen (was, wer, wie, wo, warum, etc.), welche eine umfassendere Antwort zulassen.
Die nichtmanuellen Komponenten (Mimik, Haltung von Kopf und Oberkörper) sind entscheidend für die Bildung einer Entscheidungsfrage (Ja/Nein-Frage). Der Satzbau eines Fragesatzes und eines Aussagesatzes ist identisch; erst die Modifikation der nichtmanuellen Komponenten bildet den Fragesatz: Der Blick ist dabei auf den/die Adressat:in gerichtet, die Augenbrauen sind hochgezogen, Kopf/Kinn und Schultern sind nach vorne geneigt und die letzte Gebärde wird oft etwas länger gehalten.
In folgenden Beispielen werden Aussagesatz (a) und Fragesatz (b) gegenübergestellt:
(a)
IX-2 BUCH IXa aABHOLEN IX-2 || – 00:55-00:58
‚Du gehst das Buch abholen.‘
In diesem Beispiel (a) handelt es sich um eine neutrale Aussage.
(b)
jn-?
IX-2 BUCH IXa aABHOLEN IX-2(hold) || – 01:02-01:05
‚Gehst du das Buch abholen?‘
Dass es sich in diesem Beispiel (b) um einen Fragesatz handelt, ist daran zu erkennen, dass die letzte Gebärde, in diesem Fall der Index (siehe Kapitel 2), also das ‘du’, sowie auch der Blickkontakt, die Position von Kopf/Kinn und Oberkörper und die angehobenen Augenbrauen unverändert beibehalten werden.
Von diesen Grundregeln zur Bildung einer Entscheidungsfrage (Blick zum/zur Adressat:in, hochgezogene Augenbrauchen, Kopf und Oberkörper leicht nach vorne geneigt, letzte Gebärden etwas länger halten) kann abgewichen werden. So müssen insbesondere die Augenbrauen nicht immer gehoben, sie können zu bestimmten Zwecken auch nach unten gezogen werden:
Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Frageformulierung einige Beispiele:
Aussagesatz:
(a)
MÄDCHEN IX-3 KRANK IX-3 || – 00:36-00:39
‚Das Mädchen ist krank.‘
In Beispiel (a) handelt es sich um einen Aussagesatz.
Grundform eines Fragesatzes:
(b)
jn-?(Augenbr: hoch)
MÄDCHEN IX-3 KRANK IX-3(hold) || – 00:44-00:46
‚Ist das Mädchen krank?‘
Dieser Entscheidungsfrage-Satz ist nach den erläuterten Grundregeln gebildet.
Fragesatz mit persönlichem Kommentar:
(c)
jn-?(Augenbr: gerunzelt)
MÄDCHEN IX-3 KRANK IX-3(hold) || – 00:56-00:59
‚Ist das Mädchen wirklich krank?‘
Dieser Entscheidungsfrage-Satz weicht von den Grundregeln ab. Er enthält einen persönlichen Kommentar, der zum Beispiel Unsicherheit oder Skepsis zum Ausdruck bringen kann. Er wird durch das Herunterziehen der Augenbrauen, also durch das Runzeln der Stirn, realisiert.
Fragesatz als Rückversicherung:
(d)
jn-?(Augenbr: hoch) | schütteln
MÄDCHEN IX-3 KRANK IX-3(hold) | NICHT ++ ||
‚Das Mädchen ist krank oder nicht?‘ – 01:18-01:20
Mit einer solchen Frage (hochgezogene Augenbrauen, Verneinung am Schluss) will sich eine Person rückversichern und erwartet eine klärende Antwort wie etwa ‚Nein, sie ist gesund‘.
Die Grundform eines Entscheidungsfrage-Satzes wird also mit hochgezogenen Augenbrauen gebildet. Wird er persönlich kommentiert, so sind die Augenbrauen nach unten gezogen. Wird die Frage mit dem Ziel der Rückversicherung gestellt, so sind die Augenbrauen hochgezogen und am Schluss folgt eine Verneinung.
In der gesprochenen Sprache werden diese unterschiedlichen Fragemöglichkeiten durch Intonation, in der Schriftsprache durch das Hinzufügen von Wörtern und Satzzeichen realisiert.
Entscheidungsfragen beziehen sich oft auf die Frage nach Besitz/Eigentum; in DSGS existiert dafür die Gebärde ‚DA‘.
DA (2 Varianten) – 00:06-00:07
Würde die Gebärde ‚DA‘ weggelassen, wäre der Inhalt missverständlich, wie folgendes Beispiel zeigt:
(a) *IX-2 VELO IX-2(hold) || – 00:10-00:11
‚Bist du ein Fahrrad?‘
Die Frage muss zwingend die Gebärde ‚DA‘ enthalten, wenn nach Besitz/Eigentum gefragt wird:
(b) IX-2 DA VELO IX-2(hold) || – 00:17-00:18
‚Hast du ein Fahrrad?‘
Auf diese Frage kann mit ‚ja‘ oder ‚nein‘ oder mit ‚Ich besitze keines.‘ geantwortet werden.
Entscheidungsfragen, welche sich auf Besitz beziehen, enthalten also zwingend die Gebärde ‚DA‘.
Es gibt drei Möglichkeiten, eine verneinte Entscheidungsfrage zu bilden: Die erste (b) bedient sich dazu nur der nichtmanuellen Komponenten. Die beiden anderen Möglichkeiten (c und d) nutzen dazu lexikalisierte Gebärden (manuelle Komponenten) und zeichnen sich durch einen etwas anderen Satzbau aus.
Entscheidungsfragen ohne Verneinung:
(a )
jn-?
IX-2 BLEIBEN IX-2(hold) || – 00:30-00:31
‚Bleibst du?‘
In den Beispielen (a) und (b) handelt es sich um gewöhnliche Entscheidungsfragen.
3 Möglichkeiten von Entscheidungsfragen mit Verneinung:
(a 1)
schütteln-jn-?
IX-2 BLEIBEN IX-2(hold) || – 00:40-00:42
‚Bleibst du nicht?‘
(a 2)
schütteln-jn-?
IX-2 NICHT BLEIBEN IX-2(hold) || – 00:53-00:56
‚Bleibst du nicht?‘
(a 3)
jn-? | schütteln-jn-?
IX-2 BLEIBEN IX-2(hold) | NICHT++ || – 01:05-01:07
‚Bleibst du nicht?‘
(b)
jn-?
IX-2 AUFGABEN BEKOMMEN IX-2(hold) || – 00:00-00:03
‚Hast du Hausaufgaben bekommen?‘
(b 1)
jn-? | schütteln-jn-?
IX-2 AUFGABEN BEKOMMEN IX-2(hold) || – 00:05-00:08
‚Hast du die Hausaufgaben nicht bekommen?‘
(b 2)
jn-? | schütteln-jn-?
IX-2 AUFGABEN NICHT BEKOMMEN IX-2(hold) || – 00:09-00:11
‚Hast du die Hausaufgaben nicht bekommen?‘
(b 3)
jn-? | schütteln-jn-?
IX-2 AUFGABEN BEKOMMEN IX-2(hold) | NICHT++ || – 00:14-00:16
‚Du hast die Hausaufgaben nicht bekommen?‘
Die Verneinung in den Beispielen (a 1) und (b 1) wird lediglich durch Kopfschütteln angezeigt. Es handelt sich also um die erste der oben beschriebenen Möglichkeiten einer verneinten Entscheidungsfrage.
Die zweite Möglichkeit (a 2) und (b 2) setzt die lexikalisierte verneinende Gebärde ‚NICHT‘ mit einmaliger Bewegung vor das Verb.
Die in den Beispielen (a 3) und (b 3) aufgezeigte dritte Möglichkeit setzt die lexikalisierte verneinende Gebärde ‚NICHT‘ mit wiederholter Bewegung (siehe Kapitel 6) an den Schluss.
Hauptmerkmal von Ergänzungsfragen sind einerseits die nichtmanuellen Komponenten und andererseits lexikalisierte Gebärden (manuelle Komponenten) wie ‚WIE‘, ‚WARUM‘ etc. (W-Fragen).
(a) WIE
(b) WARUM
Die nichtmanuellen Komponenten zur Bildung von Ergänzungsfragen folgen mehrheitlich den Regeln, welche für Entscheidungsfragen gelten, nur die Augenbrauen werden etwas anders eingesetzt: Sie sind nach unten gezogen. Wie bei Entscheidungsfragen auch ist der Blick auf den/die Adressat:in gerichtet; Kopf/Kinn und Schultern sind nach vorne geneigt und die letzte Gebärde wird oft etwas länger gehalten. Zusätzlich wird eine Hand oder werden beide Hände mit der Handfläche nach oben fragend vor dem Körper gehalten (PALM-UP(?)).
Es gibt einige lexikalisierte Gebärden (manuelle Komponenten) für Ergänzungsfragen wie ‚WARUM?‘, ‚WIE?‘ etc. Diese Gebärden stehen selten allein. Sie sind in einen Kontext eingebunden und beziehen sich oft auf ein (nicht unbedingt näher bestimmtes) Subjekt, Objekt oder Verb. Die Frage im folgenden Beispiel ist daher nicht vollständig:
(a)
w-?
*WO STADT || – 00:38-00:40
Vollständig ist die Frage dann, wenn ein Ort im Raum festgelegt und indexiert wird, wie dies in Beispiel (b) der Fall ist:
(b)
w-?
WO IXa STADT IXa || – 00:44-00:46
‘Wo befindet sich die Stadt?’
(a) PALM-UP(?)
(b) WAS
Wird die Gebärde ‘WAS?’ ohne Mundbild ausgeführt, so handelt es sich um die Gebärde ‘PALM-UP(?)’. Diese unspezifische Frageform gibt an, dass es sich um eine Frage handelt. Sie kann einer lexikalisierten Fragegebärde entweder nachgestellt oder sowohl voran- als auch nachgestellt werden.
Wird die Gebärde ‘PALM-UP(?)‘ aber vom Mundbild ‘was’ und von den nichtmanuellen Komponenten für Ergänzungsfragen begleitet, so wird explizit nach dem ‘was?’ gefragt (WAS?), wie folgende zwei Beispiele zeigen:
(c)
w-?
WAS IX-2 ESSEN IX-2 || – 00:22-00:24
‚Was isst du?‘
(d)
w-?
WAS IXa BUCH IXa SCHREIBEN || – 00:24-00:26
‚Um was geht es in diesem Buch?‘
Wie die Gebärde ‘WER?’ gebildet wird, ist generationenabhängig. Nachfolgend je zwei Varianten von älteren beziehungsweise jüngeren Gebärdensprachbenutzenden:
Varianten ältere Generation:
(a) WER (2 Varianten) – 00:02-00:05
Varianten jüngere Generation:
(b) WER (2 Varianten) – 00:13-00:16
Der Gebärde ‘PALM-UP(?)’, die durch das Mundbild ‘wer’ spezifiziert wird, folgt immer eine pronominale Referenz (siehe Kapitel 2):
Dazu 3 Beispiele:
(c) WER PERSON
‘Wer ist diese Person?’ – 00:33-00:34
In diesem Beispiel (c) bezieht sich die Frage auf eine einzelne Person.
(d) WER IX-3pl(Hf-5)
‘Wer sind diese Personen?’ – 00:34-00:36
Beispiel (d) fragt nach mehreren Personen.
(e) WER GRUPPEa INHALT etc.
‘Wer gehört zu dieser Gruppe?’ – 00:36-00:37
In Beispiel (e) wird nach der Gruppenzusammensetzung gefragt, also ebenfalls nach mehreren Personen.
Die Fragegebärde ‘WER?’ ist also immer an eine grammatikalische Person, an ein Subjekt oder Objekt, gebunden.
Die Frage nach dem ‘wo?’ wird durch die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ mit Mundbild ‘wo’ ausgedrückt. Sie steht nicht allein; sie ist immer an einen Ort gebunden und wird daher gefolgt von einer Verortung im Raum (siehe Kapitel 2) beziehungsweise einer Indexierung auf eine solche. Einige Beispiele möglicher Verortungen im Raum:
(a) WO + IXa – 00:10-00:12
‚Wo am Körper?‘
Eine Frage nach dem ‘wo?’ könnte zum Beispiel folgendermassen aussehen:
(d)
w-?
Frage: WO? IXa/b/c(Oberkörper-Orte) SCHMERZEN IX-2 ||
Antwort: ICH IXa(Schulter) SCHMERZEN || – 00:18-00:21
A: ‚Wo genau hast du Schmerzen?‘
B: ‚Hier, unterhalb des linken Schlüsselbeins.‘
Die Gebärde ‘WO?’ wird also gefolgt von einer Verortung im Raum. Das Zuweisen eines solch symbolischen Raums hat grammatikalische Bedeutung. Er kann die tatsächlichen räumlichen Gegebenheiten spiegeln (wie im Falle des Körpers), muss dies aber nicht.
Die Frage ‘woher?’ kann in DSGS auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden: (a) Nur durch die Gebärde ‘WOHER?’ oder (b) in Kombination mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’.
(a) WOHER – 00:00-00:02
Bei dieser Variante (a) wird die Gebärde ‚WOHER‘ vom Mundbild ‚woher‘ begleitet.
(b) WOHER + PALM-UP(?)
(c) PALM-UP(?) + WOHER + PALM-UP(?) – 00:07-00:08
In Variante (b) wird die Frage ausgedrückt, indem die Gebärde ‘KOMMEN’ vom Mundbild ‘woher’ begleitet wird. Die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ kann nachgestellt oder voran- und nachgestellt werden. Falsch wäre es, ‹woher?› auszudrücken, indem die Gebärde ‚WOHER?‘ (mit dem Mundbild ‹wo‘) gefolgt von der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ (mit dem Mundbild ‹her›) produziert würde.
Ein korrektes Beispiel:
(d)
w-?
IX-2 PALM-UP(?) WOHER IX-2 || – 00:07-00:08
‘Woher kommst du?’
Das Mundbild ‘woher’ kann alle Gebärden ab ‘WOHER?’ begleiten oder auch bereits die Gebärde ‘PALM-UP(?)’.
Auch im Falle der Frage ‘wohin?’ wird das Mundbild nicht aufgeteilt in ‘wo’ (zusammen mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ und ‘hin’ (zusammen mit der Gebärde ‘HINGEHEN’).
Folgende Varianten sind korrekt:
(a) WOHIN – 00:00-00:02
PALM-UP(?) + WOHIN + PALM-UP(?)
Die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ kann der Gebärde ‚WOHIN?’ nachgestellt oder sowohl voran- als auch nachgestellt werden. Das Mundbild ‚wohin‘ begleitet im zweiten Fall die zweite und dritte Gebärde.
Ein Satz-Beispiel mit der Frage ‘wohin?’:
(c)
w-?
IX-2 FERIEN HINGEHENa IXa | PALM-UP(?) WOHIN IX-2 || – 00:16-00:19
‘Wohin gehst du in die Ferien?’
In diesem Beispiel wird die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ zu Beginn der Gebärde ‘WOHIN?’ kurz gleichzeitig und einhändig ausgeführt. Das Mundbild ‘wohin’ begleitet die Gebärden ‘WOHIN?’ und ‘DU’.
Mit der Gebärde ‘WIE?’ wird nach der Funktionsweise gefragt, beispielsweis danach, wie eine Kaffeemaschine zu bedienen ist:
(c)
w-?
WIE ICH KAFFEE MASCHINE PROD-Box ICH PROD-drücken | WIE || – 00:12-00:17
Im Deutschen kann der Begriff ‘wie’ sowohl für eine Frage als auch für einen Vergleich (‘Sie sieht aus wie ihre Tante.’) stehen. Die DSGS nutzt für den Vergleich jedoch eine andere Gebärde (‘GLEICH’).
Da sich die Fragegebärde ‘WIE?’ auf die Funktionsweise bezieht, ist die Frage nach dem Namen in folgendem Beispiel nicht korrekt (*) gebildet:
(d)
w-?
*WIE IX-2 NAME || – 00:24-00:26
‚Wie heisst du?‘ / ‚Wie ist dein Name?‘
Korrekterweise wird diese Frage mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ umgesetzt:
(e)
w-?
PALM-UP(?) IX-2 NAME PALM-UP(?) || – 00:28-00:30
‚Wie heisst du?‘ / ‚Wie ist dein Name?‘
Bezieht sich die Frage allerdings auf die richtige Schreibweise eines Namens, so ist die Frage-Gebärde ‘WIE?’ angebracht:
(f)
w-?
Frage: WIE ICH POSS-2 NAME SCHREIBEN | WIE || – 00:34-00:41
‘Wie schreibt man deinen Namen?’
In diesem Beispiel (f) buchstabiert die befragte Person anschliessend ihren Namen (B – E – A – T), so dass er korrekt notiert werden kann.
(a) WIE LANGE
WIELANGE und PALM-UP(?) – 00:00-00:04
Die Gebärde ‘WIE LANGE?’ setzt sich nicht aus den Gebärden ‘WIE?’ und ‘LANGE’ zusammen. Das ‘wie?’ ist nur auf dem begleitenden Mundbild ersichtlich. Anschliessend an die Gebärde ‘LANGE’ folgt die Gebärde ‘PALM-UP(?)’:
Mit der Frage ‘wie lange?’ wird nach einer Zeitdauer gefragt, daher kommen in solchen Fragesätzen oft Zeitmarker-Techniken (siehe Kapitel 12) zum Einsatz, wie folgende Beispiele veranschaulichen:
(b)
w-?
WIELANGE IX-2 ZEITMARKER ZL-C (Vergangenh.-jetzt) SCHON HIERBLEBEN IX-2 || – 00:20-00:25
‘Wie lange bist du schon hier?’
In diesem Beispiel (b) begleitet das Mundbild ‘wie lange’ die Gebärde ’DU’, LANGE’, ‘DU’ und den Zeitmarker.
(c)
w-?
WIELANGE IX-2 ZEITMARKER ZL-B (A-B Dauer) FERIEN IX-2 ZEITMARKER ZL-B (A-B Dauer) || – 00:26-00:29
‘Wie lange hast du Ferien?’
In Beispiel (c) begleitet das Mundbild ‘wie lange’ die Gebärde ’DU’, LANGE’ und den Zeitmarker.
Nur in Einzelfällen folgt der Gebärde ‘WIE LANGE’ kein Zeitmarker.
(a)
WIEVIEL – 00:00-00:03
Die Frage ‘wie viel?’ bezieht sich auf eine (An)Zahl, wie in folgenden Beispielen nachgefragt:
(b)
w-?
IX-2 WIEVIEL IX-2 APFEL SCHON ESSEN IX-2 || – 00:08-00:12
‘Wie viele Äpfel hast du schon gegessen?’
(c)
w-?
Frage: WIEVIEL ZEIT(Handgelenk) JETZT || – 00:13-00:16
Antwort: HALB ZWEI-UHR(mb:uhr)
A: ‘Wie viel Uhr ist es?’
B: ‘Halb zwei Uhr.’
Folgende Umsetzungen der Frage ‘wie viel?’ als Kombination aus ‘WIE’ und ‘VIEL’ sind nicht korrekt (*):
(d)
*‘WIE’ + ‘VIEL’ (2 Varianten von ‘VIEL’) – 00:20-00:20
Es existieren 3 mögliche Varianten der Frage ‘WARUM?’:
(a) (b) (c)
(a) – 00:01-00:03
(b) – 00:04-00:06
(c) – 00:06-00:08
Die erste Variante (a) besteht aus der lexikalisierten Gebärde ‘WARUM?’. Die Finger bleiben geschlossen, die Gebärde wird vom Mundbild ‘warum’ begleitet. Die zweite Variante (b) besteht ebenfalls aus der lexikalisierten Gebärde ‘WARUM?’, wobei sich hier die Finger öffnen. Die dritte Variante (c) wird aus der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ gebildet und vom Mundbild ‘warum’ begleitet. Die beiden ersten Varianten können mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ ergänzt werden.
Ein Beispiel mit der Frage ‘WARUM’:
(d)
w-?
WARUM IX-2 WILL IX-2 ITALIENISCH LERNEN IX-2 | PALM-UP(?) || – 00:17-00:20
‘Warum willst du italienisch lernen?’
Die Gebärde ‘WANN’ kann in zwei Varianten ausgeführt werden:
(a) (b)
(a) – 00:02-00:03
(b) – 00:07-00:08
Die zweite Variante (b) besteht aus der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ mit begleitendem Mundbild ‘wann’.
Die Frage ‘wann?’ bezieht sich auf eine Zeitangabe; daher werden Zeitmarker (siehe Kapitel 12) in solchen Fragesätzen hinzugefügt. Dazu folgen zwei Beispiele:
(c)
w-?
WANN(Nase) VERGANGENHEIT IX-2 BEGONNEN LERNEN || – 00:17-00:21
‘Wann hast du mit Lernen angefangen?’
In diesem Beispiel (c) wird die erste Variante der Gebärde ‘WANN?’ benutzt und mit der rückwärts gerichteten Gebärde ‘SEIT’ (Vergangenheit) kombiniert.
(d)
w-?
WANN NÄCHSTE IX-2 FERIEN WEGGEHEN || – 00:21-00:24
‘Wann wirst du in die Ferien gehen?’
Auf die Gebärde ‘WANN?’ (Variante 1) folgt eine vorwärts gerichtete Gebärde (‘SPÄTER’, ‘NÄCHSTE’) (Zukunft). Es wäre auch möglich, anstelle der Variante 1 die Variante 2 der Gebärde ‘WANN?’ zu benutzen.
(e)
w-?
WANN ZEITMARKER ZL-B (zwischen) IX-2 2BESUCHEN1 || – 00:29-00:31
‚Wann ungefähr kommst du mich besuchen?‘
Auch in diesem Beispiel folgt der Gebärde ‘WANN?’ ein Zeitmarker (‘WÄHREND’).
Die Frage ‘mit wem?’ ist zwingend an eine pronominale Referenz gebunden (siehe Kapitel 2). Je nachdem, auf welche Anzahl Referent:innen (einzelne Person, Gruppe, mehrere Personen) sie sich bezieht, wird der zweite Teil der Frage unterschiedlich umgesetzt. Der erste Teil der Frage (‘MIT?’) bleibt sich gleich:
(a) MIT WEM?
MIT + PALM-UP(?)
Der Gebärde ‘MIT’ (einhändig oder zweihändig) folgt die Gebärde ‘PALM-UP(?)’.
(b) MIT WEM? (Einzelperson)
w-?
MIT PALM-UP(?) 2BEIDE3 | IX-3 PERSON || – 00:27-00:30
‘Mit welcher Person zusammen (du und wer)?’
Die Frage bezieht sich in diesem Beispiel (b) auf eine einzelne Person. Dies wird durch die Gebärde ‘PERSON’ ausgedrückt.
(c) (MIT) WEM? (Gruppe)
w-?
IX-2 MIT PALM-UP(?) GRUPPE INHALT || – 00:00-00:05
‘Mit wem bist du in der Gruppe?’
Hier bezieht sich die Frage auf eine Gruppe von Personen, daher wird die Gebärde ‘GRUPPE’ gebildet.
(a) WOZU?
FÜR + PALM-UP(?) + IX – 00:00-00:03
Die Frage ‘wozu?’ bezieht sich auf einen Zweck, ein Ziel oder einen Nutzen, der/das mit einer Handlung verfolgt beziehungsweise aus ihr gezogen wird.
(a) WORÜBER
ÜBER + PALM-UP(?) + IX – 00:01-00:03
Die Frage-Gebärde ‘WORÜBER?’ bezieht sich auf ein Thema, von welchem die Rede ist.
Die Stellung der Ergänzungsfrage (W-Frage wie ‚WARUM‘‚WIE‘, ‚WER‘ etc.) im Satz ist abhängig von seiner Länge. Im nächsten Kapitel werden die unterschiedlichen Positionen der Ergänzungsfrage in kurzen Sätzen und langen Sätzen gegenübergestellt.
Die Länge eines Ergänzungsfragesatzes wiederum wird beeinflusst vom Kontext, welcher folgende Aspekte umfasst:
Nähe beziehungsweise Distanz
Es stellt sich hier die Frage, wie nahe sich gebärdende Person und Adressat:innen sind, ob und wie gut sie sich kennen. Zu Familienangehörigen oder Freunden beispielsweise besteht grosse Nähe, zu anderen Personen mehr oder weniger grosse Distanz. Nähe und Distanz zwischen gebärdender Person und Adressat:innen sind auch beeinflusst vom Ort oder dem Anlass der Begegnung. Dies kann zum Beispiel die Schule, Sport, Freizeit oder der Arbeitsplatz sein.
Bei grosser Nähe reicht in der Regel eine kurze Frage, bei grösserer Distanz kann ein längerer Fragesatz angezeigt sein.
Status
Der Status zwischen den Beteiligten beziehungsweise die Statusunterschiede (zum Beispiel Kommunikation mit Vorgesetzten oder Politiker:innen) beeinflussen ebenfalls die Länge des Fragesatzes. Ein kurzer Fragesatz ist bei gleichem Status der Beteiligten die Regel, ein längerer Fragesatz bei Statusunterschieden, welche automatisch mit grösserer Distanz einhergehen.
Alter
Die gebärdende Person und die Adressat:innen können gleich alt sein oder es kann ein Altersunterschied bestehen. Besteht kein beziehungsweise ein geringer Altersunterschied, so kann der Fragesatz kurz gehalten werden. Bei einem grossen Altersunterschied – unabhängig in welche Richtung – wird in der Regel ein längerer Fragesatz gebildet.
Die drei Aspekte Nähe-Distanz, Status und Alter können sich gegenseitig beeinflussen. Sind sich die Beteiligten zum Beispiel trotz grossem Altersunterschied sehr nahe (z.B. Enkelkind-Grossmutter), wird ein kurzer Fragesatz gebildet.
Anzahl Adressat:innen
Eine Frage kann zum Beispiel in einer 1:1-Situation, einer 5er-Gruppe oder einer Gruppe von 50 Personen gestellt werden. Ist nur ein/e Adressat:in anwesend, so kann ein kurzer Fragesatz genügen. Richtet sich die Frage aber an eine grosse Gruppe, so wird er länger sein.
Inhalt des Kommunikationsanlasses
Ein kurzer Fragesatz genügt, wenn sich zwei Beteiligte sehr gut kennen, sich täglich sehen und sich über Alltägliches unterhalten. Wird jedoch ein neues Thema, ein anderes Fachgebiet oder ein thematisch neuer Bereich angeschnitten, so wird der Fragesatz automatisch länger.
Es gilt also diese fünf Aspekte zu beachten, wenn es darum geht, ob ein Fragesatz kurz gehalten werden kann oder ob eine längere Formulierung nötig ist.
Wo im Satz eine lexikalisierte Ergänzungsfrage steht, ist abhängig von der Länge eines Satzes. In kurzen Sätzen steht sie meist am Anfang. Es ist möglich, sie am Satzende zu wiederholen oder aber die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ hinzuzufügen, welche gehalten wird, um das Gegenüber zu einer Antwort aufzufordern. In langen Sätzen folgt die Ergänzungsfrage meist nach der Einführung ins Thema, auf welches sie sich bezieht.
Zu beachten gilt, dass die Entscheidungsfrage oft durch die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ (einhändig oder zweihändig) ausgedrückt wird, welche am Satzanfang oder Satzende steht.
Es folgen kurze und lange Satzbeispiele zu den Fragen ‘WO?’ (1.), ‘WARUM?’ (2.), ‘WIE?’ (3.) und ‘WAS?’ (4.):
1. Satzbau ‘WO?’
’WO?’ in langen Sätzen:
w-?
(a) IX-2 2HINGEHENa RESTAURANTIXa | WO IXa || – 00:12-00:15
‘Wo ist das Restaurant, das du besuchst?’
Die Ergänzungsfrage steht am Ende des langen Satzes.
’WO?’ in kurzen Sätzen:
w-?
(b) WO RESTAURANT IXa || – 00:22-00:25
‘Wo ist das Restaurant?’
In einem kurzen Satz wie diesem steht die Ergänzungsfrage meist am Anfang.
w-?
(c) WO RESTAURANT IXa | WO IXa || – 00:33-00:35
‘Wo ist das Restaurant?’
Es ist auch möglich, die Frage am Schluss zu wiederholen.
2. Satzbau ‘WARUM?’
’WARUM?’ in langen Sätzen:
(d) MANN IX-3 KANN-NICHT PROD-Bildschirm
w-?
COMPUTER LESEN | WARUM PALM-UP(3) || – 00:04-00:09
‘Warum kann der Mann nicht am Bildschirm lesen?’
Die lexikalisierte Gebärde ‚WARUM‘ und ‘PALM-UP(?)’ stehen in diesem langen Satz am Ende.
’WARUM?’ in kurzen Sätzen:
(leicht schütteln) w-?
(e) WARUM IX-3 KANN-NICHT LESEN IX-3 || – 00:16-00:19
‘Warum kann er da (am Bildschirm) nicht lesen?’
In diesem kurzen Satz steht die lexikalisierte Gebärde ‘WARUM’ am Anfang.
(leicht schütteln) w-?
(f) WARUM IX-3 KANN-NICHT LESEN | WARUM IX-3 || – 00:25-00:28
‘Warum kann er da (am Bildschirm) nicht lesen?’
Die lexikalisierte Gebärde ‘WARUM’ wird am Ende dieses kurzen Satzes wiederholt.
3. Satzbau ‘WIE?’
’WIE?’ in langen Sätzen:
gerunzelt (Kommentar) w-?
(g) IX-2 WOHNEN WEIT | IX-2 2KOMMENa WIE IX-2(hold)|| – 00:03-00:08
‘Du wohnst sehr weit weg, wie kommst du hierher?’
In diesem langen Satz wird zuerst ins Thema eingeführt, anschliessend folgt die Frage dazu. Die lexikalisierte Gebärde ‚WIE‘ steht am Schluss.
’WIE?’ in kurzen Sätzen:
w-?
(h) WIE IX-2 2KOMMENa IX-2 || – 00:17-00:19
‘Wie kommst du hierher?’
In diesem kurzen Satz steht die lexikalisierte Gebärde ‚WIE‘ am Anfang.
w-?
(i) WIE IX-2 2KOMMENa WPALM-UP || – 00:25-00:28
‘Wie kommst du hierher?’
Am Ende eines kurzen Satzes kann die Frage wiederholt werden, indem die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ hinzugefügt wird. Diese wird gehalten, bis eine Antwort folgt.
4. Satzbau ‘WAS?’
’WAS?’ in langen Sätzen:
w-?
(j) IX-2 REISEN KOFFER | WAS EINPACKEN IX-2(hold). || – 00:02-00:07
‘Du verreist. Was packst du alles in deinen Koffer?’
Die lexikalisierte Gebärde ‘WAS’ folgt ganz am Schluss dieses langen Satzes.
’WAS?’ in kurzen Sätzen:
Lässt sich aus dem Kontext bereits einiges erschliessen (es steht jemand mit einem Koffer da), kann der Fragesatz auch kürzer formuliert werden (k):
w-?
(k) WAS IX-2 EINPACKEN IX a IX-2 || – 00:21-00:23
‘Was packst du ein?’
Auch die Position der Verneinung (siehe Kapitel 6) einer Ergänzungsfrage hängt mit der Satzlänge zusammen. In einem kurzen Satz steht die verneinte Frage am Satzanfang, allenfalls wird sie am Satzende wiederholt. In einem langen Satz steht die Verneinung ganz am Schluss nach der Ergänzungsfrage.
Verneinte Ergänzungsfrage in langen Sätzen
(a) IX-2 SALAT | GEMÜSE UND FISCH IXa-c
schütteln > > > w-?
IX-2 NICHT ESSEN IXa-c | WARUM VERNEINEN IXa-c-a IX-2 || – 00:01-00:09
‘Warum isst du weder Salat, noch Gemüse, noch Fisch?’
Zuerst wird in das Thema, auf welches sich die Ergänzungsfrage bezieht, eingeführt. Die Ergänzungsfrage steht im langen Satz am Schluss gefolgt von der Verneinung ‘NICHT’.
Verneinte Ergänzungsfragen und Mischformen aus Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen in kürzeren Sätzen
schütteln jn-? (Augenbr: gerunzelt)
(b) IX-2 IXa ESSEN IXa IX-2 || – 00:03-00:06
‘Isst du das nicht?’
In diesem Beispiel handelt es sich um eine pragmatische Mischform aus Entscheidungs- und Ergänzungsfrage, die den Adressat:innen die Möglichkeit offenlässt, sie als Entscheidungsfrage zu beantworten oder die Gelegenheit zu nutzen, weitere Informationen zu liefern. Die Verneinung ist nur an den nichtmanuellen Komponenten (Kopfschütteln) zu erkennen. Das Beispiel enthält keine lexikalisierte verneinende Gebärde (manuelle Komponenten).
Etwas länger wird der Satz durch das Hinzufügen der lexikalisierten Gebärde ‘NICHT’, welche meist vor dem Verb steht:
schütteln jn-? (Augenbr: gerunzelt)
(c) IX-2 IXa VERNEINEN ESSEN IXa IX-2 || – 00:22-00:25
‘Isst du diese Sachen nicht?’
Auch dieses Beispiel zeigt eine pragmatische Mischform aus Entscheidungsfrage und Ergänzungsfrage.
Mit dem Hinzufügen einer verneinten Ergänzungsfrage wird der Satz noch etwas länger:
ixa schütteln w-? (Augenbr: gerunzelt)
(d) IX-2 VERNEINEN ESSEN IXa | WARUM VERNEINEN IX-2(Hf:B) || – 00:34-00:38
‘Warum isst du diese Sachen nicht?’
Dieses Beispiel enthält zwei Verneinungen (‚NICHT ESSEN‘ und ‚WARUM NICHT‘). Die erste Verneinung steht vor dem Verb, die zweite nach der Ergänzungsfrage am Satzende. Die Verneinung der Ergänzungsfrage kann je nach Intention differenziert werden (einmalige oder wiederholte Bewegung, verstärkt oder abgeschwächt, (siehe Kapitel 6).
Die zentralen Merkmale eine Frage (Entscheidungsfrage und Ergänzungsfrage) sind folgende: Die nichtmanuellen Komponenten (Oberkörper und Kopf sind nachvorne geneigt und die Augenbrauchen sind hoch- oder nach unten gezogen), die letzte Gebärde wird etwas länger gehalten und die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ wird hinzugefügt.
Diese Merkmale können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein je nachdem, ob eine Frage sehr deutlich und für alle Anwesenden wahrnehmbar zum Ausdruck gebracht wird oder aber sich dezent nur an das Gegenüber richtet. Dazu je ein kurzes Beispiel:
w-?
(a) WAS ESSEN IX-3 ||
‘Was isst er da?’ – 00:30-00:32
In diesem Beispiel werden die Gebärden sehr nahe am Körper und in der Nähe des Kopfes ausgeführt; die nichtmanuellen Komponenten werden nur angedeutet. Die Frage soll nur vom Gegenüber wahrgenommen werden.
w-?
(b) WAS IX-3 ESSEN IX-3 ||
‘Sag, was isst er denn da?’ – 00:33-00:35
Die Frage in diesem Beispiel kommt klar und deutlich zum Ausdruck. Die Gebärden nutzen den gesamten Gebärdenraum; Oberkörper und Kopf neigen sich stark nach vorne.
Wie offensichtlich oder nachdrücklich eine Frage formuliert wird (Verstärkung oder Abschwächung) kommt also durch die Grösse der Gebärden und der Bewegung von Oberkörper und Kopf zum Ausdruck. Die gesprochene Sprache variiert dazu die Intonation und die Lautstärke.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Möglichkeiten in Satzbeispielen gegenübergestellt:
jn-?
(c) HEUTE SITZUNG NEUN-UHR(mb:uhr) ! || – 00:01-00:03
‚Haben wir heute um neun Uhr Sitzung?‘
In diesem Beispiel wird die Frage dezent formuliert.
jn-?
(d) HEUTE SITZUNG NEUN(mb:uhr) WIRKLICH WPALM-UP || – 00:04-00:07
‚Stimmt es, dass wir heute um neun Uhr Sitzung haben?‘
Die Frage wird hier eindringlicher formuliert und verlangt nach einer Bestätigung.
w-?
(e) WAS 1BEIDE2 ARBEITEN ||
‘Was arbeiten wir zusammen?’ – 00:02-00:04
Die Frage wird knapp und sachlich formuliert.
w-?
(f) WAS 1BEIDE2 ARBEITEN INHALT WPALM-UP ||
‘Um was genau geht es bei unserer gemeinsamen Arbeit?’
Die Frage wird eindringlich vorgebracht, drückt eine gewisse Unsicherheit aus und verlangt nach mehr Informationen.
Vor der eigentlichen Frage (Entscheidungsfrage oder Ergänzungsfrage) wird in Gebärdensprache oft zuerst ins Thema (Topik) eingeführt, auf welches sich die Frage bezieht. Zur Topikalisierung je ein Beispiel einer Entscheidungsfrage (a) und einer Ergänzungsfrage (b):
(a)
t jn ?
IX-2 GESTERN RESTAURANT HINGEHENaIXa |ESSEN IXaGUTIXa || – 00:12-00:17
‘War das Essen im Restaurant, das du gestern besucht hast, gut?’
Im Beispiel (a) wird zuerst in das Thema eingeführt (‘Restaurantbesuch‘) und danach eine Frage dazu gestellt (‘gutes Essen?’). Im Deutschen sieht die Informationsstruktur anders aus: Die Frage wird mit Satzbeginn (‘Essen … ’) eingeleitet und allenfalls am Satzende abgeschlossen (‘gut?’); das Thema (‹Restaurantbesuch’), auf welches sich die Frage bezieht, folgt am Schluss oder wird eingeschoben.
(b)
t w-?
GESTERN IX-2 KURSGUTPROD-besuchen-viela |WIEVIELANMELDENIXa || – 00:30-00:34
‘Wieviel Personen haben sich zum gestrigen Kurs, der ja gut besucht war, angemeldet?
Auch in diesem Beispiel (b) mit einer Ergänzungsfrage wird zuerst ins Thema eingeführt (‘gut besuchter Kurs’) und danach eine Frage dazu gestellt (‘wie viele Personen?’). Im Deutschen ist die Frage analog Beispiel (a) aufgebaut.
In Gebärdensprache wird also zuerst das ‘übergeordnete’ Thema (Kontext) angegeben, die darauf bezogene Frage stellt eine Fokussierung dar.
Die Frage ‘WELCHE?’ kann als lexikalisierte Gebärde (a) oder mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ – beide begleitet vom Mundbild ‘welche’ – realisiert werden:
(a) WELCHE – 00:07-00:08
(b) WPALM-UP – 00:11-00:12
Dazu je ein Beispiel:
w-?
(c) WELCHE(Var.1) FARBE IX-2 LIEBLING IX-2 || – 00:08-00:11
‘Welche ist deine Lieblingsfarbe?’
w-?
(d) WPALM-UP(MB:welch) FARBEIX-2LIEBLINGIX-2 || – 00:11-00:14
‘Welche ist deine Lieblingsfarbe?’
Die Frage ‘WELCHE?’ offeriert zwei (oder mehrere) Wahlmöglichkeiten. Sie wird grundsätzlich nach denselben Regeln gebildet wie die Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen. Zusätzlich werden jedoch die Alternativen, welche zur Auswahl stehen, im Gebärdenraum platziert und mit nichtmanuellen Komponenten (Kopfstellung und Haltung des Oberkörpers) markiert.
Einige Beispiele dazu:
(e) HEUTE 1BEIDE2 RICHTUNG-NACH BERN MIT AUTO(Oberk: links)
jn-? jn-?
BAHN(Oberk: rechts) | WPALM-UP MÖGEN IX-2 IXrechts IXlinks || – 00:39-00:45
‚Möchtest du, dass wir beide heute mit dem Auto oder mit der Bahn nach Bern fahren?‘
Die Alternativen (‚AUTO‘ und ‚BAHN‘) werden links und rechts im Raum platziert. Der Wechsel der Stellung von Oberkörper und Kopf (links und rechts) ist identisch mit ‚oder‘.
(f)
jn-?
IX-2 MÖGEN VELO ROTlinks GRÜNrechts IX(HF-B)rechts IX(Hf-B)links |
jn-?
GRÜNrechts IX(HF-B)rechts IX-2 || – 00:04-00:09
‚Möchtest du das rote oder das grüne Velo? Das grüne?‘
(g)
jn-?
WAS IX-2 MÖGEN ESSEN SPAGHETTI links ODER REISrechts |
jn-?
IXrechts IXlinks || – 00:05-00:11
‚Möchtest du Spaghetti oder Reis essen?‘
Es gibt drei Möglichkeiten zu signalisieren, dass jetzt gleich eine Frage gestellt wird. Nachfolgend die unterschiedlichen einleitenden Formulierungen und entsprechende Beispiele dazu:
Einleitung ‚ICH FRAGE DICH‘:
Winken | ICH 1FRAGEN2 | IX-2 KÖNNEN IX-1 2HELFEN1
jn-?
2KOMMEN1 PROD-tragen || – 00:16-00:20
‚Ich habe eine Frage: Kannst du mir tragen helfen?‘
jn-?
Winken | ICH MÖGLICH SCHNELL | NACHHER 1IX2 BESPRECHEN || – 00:21-00:25
‚Ich habe eine Frage: Können wir das nachher kurz besprechen?‘
Anstelle dieser Einleitung (‚Ich habe eine Frage‘) kann auch ein Fragezeichen in die Luft gezeichnet werden. Diese Möglichkeit wird aber eher in höheren Registern (Referate, Workshops, formelle Anlässe) benutzt.
Einleitung: ‚BITTE‘:
Wird eine Frage auf diese Weise eingeleitet, so handelt es sich um eine Bitte beziehungsweise Aufforderung.
jn-?
Winken | BITTEN | IX-2 KÖNNEN IX-1 2HELFEN1 PROD-tragen || – 00:52-00:55
‚Kannst du mir bitte tragen helfen?‘
Dies ist eine höfliche und etwas formellere Einleitung einer Frage.
Einleitung ‚AUFMERKSAM-MACHEN‘:
Mit dieser einleitenden Formulierung soll jemanden an etwas erinnert, auf etwas aufmerksam gemacht werden im Sinne von ‚Ist dir bewusst, dass …?‘ ‚Du weisst, dass …?‘.
jn-?
Winken | WEISST-IX-2 | MORGEN SITZUNG ABSAGEN || – 01:02-01:08
‚Weisst du, dass die morgige Sitzung abgesagt wurde?‘
Die Frage zielt also auch darauf ab, zu informieren oder sich rückzuversichern.
Eine Frage (Ergänzungsfrage oder Entscheidungsfrage) wird oft durch eine dieser drei Formulierungen eingeleitet.
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