Viele Sprachen benutzen räumliche Metaphern, um Zeitkonzepte auszudrücken (vor-gestern, über-morgen, nach vorne schauen). Zukünftige Ereignisse liegen vor uns, vergangene hinter uns. Dieser Logik folgt auch die DSGS.
In DSGS existieren drei Hauptarten, Zeit auszudrücken: Manuell per lexikalisierte Gebärden, durch nicht-manuelle Markierung wie Mimik und Oberkörper und durch spezifische Nutzung des Gebärdenraums.
Die Vergangenheit wird im Gebärdenraum posterior der Körperlängsachse ausgedrückt. Die Zukunft auf derselben Körperachse wie die Vergangenheit, aber anterior. Die Gegenwart wird im Gebärdenraum unmittelbar vor der gebärdenden Person ausgedrückt.
Es gibt aber auch Gebärdensprachen, bei denen sich dies – entsprechend der regionalen Kultur und der dort benutzten Lautsprache – genau umgekehrt verhält (die Vergangenheit ist bekannt, liegt also sichtbar vor uns, die unbekannte Zukunft liegt hinter uns).
Im Folgenden werden die verschiedenen Möglichkeiten, Zeit auszudrücken, dargestellt.
Lexikalisierte Zeitgebärden sind konventionalisierte Gebärden mit einer – durch die Verwendung in der Sprachgemeinschaft – festgelegten Form und Bedeutung.
Nachfolgend eine Auswahl lexikalisierter Zeitgebärden (a-f):
(a) MORGEN – 00:19-00:20
(b) GESTERN – 00:20-00:21
(c) ÜBERMORGEN – 00:22-00:23
(d) VORGESTERN – 00:23-00:24
(e) HEUTE – 00:24-00:25
(f) JETZT – 00:25-00:26
Lexikalisierte Zeitgebärden wie ‘GESTERN’, ‘MORGEN’ oder ‘ÜBERMORGEN’ werden in der Regel an den Satzanfang gestellt. Wenn in einer neuen Phrase eine neue Zeitinformation auftaucht, wird diese durch die entsprechende Gebärde signalisiert.
Nachfolgend einige Beispiele zur Stellung von Zeitangaben im Satz:
MORGEN 1BEIDE2 HAUPT BAHNHOF IXa ZÜRICH TREFFENa || – 00:03-00:07
Wir (beide) treffen uns morgen am Hauptbahnhof Zürich.
Die Zeitangabe ‘morgen’ wird an den Satzanfang gestellt, anschliessend folgt die Handlung.
Es können auch zwei Zeitangaben an den Satzanfang gestellt werden. Der Satzbau gestaltet sich dabei folgendermassen:
MORGEN FÜNF-UHR 1BEIDE2 IXa ZÜRICH TREFFENa || – 00:16-00:22
‘Morgen um fünf Uhr treffen wir (beide) uns am Hauptbahnhof Zürich.’
Dieses Beispiel enthält zwei Zeitangaben; ‘morgen’ und die genaue Uhrzeit.
Um eine bestimmte Zeitangabe zu betonen, kann folgende Satzstruktur verwendet werden:
MORGEN 1BEIDE2 HAUPT BAHNHOF ZÜRICH IXa TREFFENa | FÜNF-UHR || – 00:30-00:37
‘Morgen treffen wir (beide) uns um fünf Uhr (!) am Hauptbahnhof Zürich.’
Hier wird die Zeitangabe ‘FÜNF-UHR’, auf welcher die Betonung liegt, an den Schluss gestellt.
Das folgende Beispiel zeigt, dass eine einmal angegebene Zeit nicht für jede folgende Handlung bzw. jeden folgenden Satz wiederholt werden muss, wie dies im Deutschen der Fall ist (Zeitflexion aller Verben). Erst wenn eine neue Zeitangabe folgt, dann wird diese hinzugefügt.
VERGANGENHEIT ICH BESUCHEN SCHULE | LAUFEND AUFWACHSEN ZL-Alter | GUT GEFALLEN AUSTAUSCHEN || JETZT ICH DENKEN 1SCHAUEN-ZURÜCK | SCHÖN ZEIT || – 00:01-00:14
‘Was mir an meiner gesamten Schulzeit gut gefallen hat, war der Austausch mit meinen Mitschüler:innen. Heute erinnere ich mich gerne an diese Zeit zurück.’
Dauert eine Erzählung an, so kann in deren Verlauf eine bereits produzierte Zeitgebärde wiederholt werden, um die zeitliche Verortung zu bestätigen.
Lexikalisierte Gebärden, welche eine klar definierte Zeiteinheit ausdrücken, sind u.a. die Gebärden für ‘JAHR’, ‘MONAT’, ‘WOCHE’, ‘TAG’, ‘STUNDE’, ‘MINUTE’, ‘SEKUNDE’.
Diese sind in den Beispielen (a-e) veranschaulicht.
(a) JAHR – 00:08-00:09
(b) MONAT – 00:09-00:10
(c) WOCHE – 00:11-00:12
(d) TAG – 00:13-00:14
(e) STUNDE/MINUTE/SEKUNDE – 00:15-00:21
Bei der Inkorporation von Zahlen werden die lexikalisierten Gebärden für Zeitangaben wie ‘JAHR’, ‘MONAT’, ‘WOCHE’, ‘STUNDE’ mit Zahlen verknüpft. Die jeweilige Zeiteinheit und ihre konkrete Anzahl können somit zeitgleich produziert werden.
Aufgrund phonetischer Beschränkungen können für die Zeiteinheit Jahre nur die Zahlen 1-5 inkorporiert werden, bei den Monaten ist die Inkorporation von Zahlen bis 10 möglich.
Für die Zeiteinheiten Tage, Sekunden und Minuten werden keine Inkorporationen vorgenommen.
Folgende Beispiele veranschaulichen die Inkorporation von Zahlen in Zeiteinheiten:
(a) DREI-JAHR – 00:22-00:29
‘drei Jahre’
Hier bildet die aktive Hand die Handform der Gebärde ‘DREI’ und führt gleichzeitig die Bewegung der Gebärde ‘JAHR’ aus, während die passive Hand die Handform der Gebärde ‘JAHR’ hält wie bei der nicht inkorporierten Variante.
(b) ZWEI-WOCHE – 00:32-00:36
‘zwei Wochen’
In diesem Beispiel bildet die aktive Hand die Gebärde ‘ZWEI’ und führt gleichzeitig die Bewegung der Gebärde ‘WOCHE’ aus, während die passive Hand dieselbe Handform hält wie bei der nicht inkorporierten Variante.
In der DSGS gibt es lexikalisierte Gebärden sowohl für die analoge wie auch für die digitale Uhrzeit. Es wird jedoch mehrheitlich die analoge Uhrzeit benutzt und dabei auf die Form oder Art der Uhr Bezug genommen.
Lexikalisierte Gebärden für Uhrzeiten geben die halbe Stunde (‘HALB’), die volle Stunde (‘PUNKT’) sowie die Anzahl Minuten vor (‘VOR’) oder nach (‘NACH’) der vollen Stunde an.
(a) HALB – 00:23
(b) PUNKT – 00:25
(c) VOR, NACH – 00:26-00:28
Die Uhrzeit kann linear dargestellt werden, wie in den folgenden zwei Beispielen aufgezeigt:
(d) ZEHN NACH VIER UHR – 00:32-00:34
Hier werden die Gebärden ‘ZEHN’, ‘NACH’, ‘VIER’ und ‘UHR’ aufeinanderfolgend produziert. Ebenso im folgenden Beispiel:
(e) DREIUNDZWANZIG VOR ZEHN UHR – 00:36-00:40
Die digitale Uhrzeit, um beispielsweise die Abfahrtszeit eines Zuges oder eine ganz präzise Zeit anzugeben, wird mit Zahlen und Doppelpunkt dargestellt, wie in folgenden Beispielen ersichtlich:
(f) DREIUNDZWANZIG DOPPELPUNKT FÜNFZEHN – 00:52-00:55
(g) DREIUNDZWANZIG DOPPELPUNKT … – 00:55-00:59
Eine bestimmte Bewegungsausführung der Gebärde für eine konkrete Zahl ermöglicht es, die Uhrzeit auf eine verkürzte Art und Weise darzustellen. Hierzu ein paar Beispiele:
(a) ZEHN NACH VIER-UHR – 00:13-00:15
Bei ‘VIER’ erfolgt eine schnelle wiederholte horizontale Hin- und Herbewegung, welche stellvertretend für die Uhrzeit steht. Die Gebärde ‘UHR’ wird dabei durch die Realisierung des Mundbilds ‘fir ur’ ersetzt, welches bei dieser reduzierten Form obligatorisch ist. Ein weiteres Beispiel:
(b) ZWANZIG VOR DREI-UHR – 00:35-00:38
Hier wird bei DREI die wiederholte Horizontalbewegung produziert und durch die Mundbilder ‘tswanzi for drei ur’ begleitet.
Lexikalisierte Gebärden wie ‘IMMER’, ‘OFT’, ‘MANCHMAL’/’AB UND ZU’ geben die Häufigkeit einer Handlung an. Sie beziehen sich auf ein Verb.
(a) IMMER – 00:08
(b) OFT – 00:09-00:10
(c) MANCHMAL – 00:10-00:11
Dazu nachfolgende Beispiele:
ICH IMMER DONNERSTAG ARBEITEN || – 00:13-00:16
‘Ich arbeite immer donnerstags.’
Dieser Satz drückt eine Regelmässigkeit aus: Es wird jeden Donnerstag gearbeitet. Derselbe Inhalt kann etwas anders ausgedrückt werden. Der Satzbau verändert sich entsprechend:
ICH DONNERSTAG ARBEITEN REGELMÄSSIG || – 00:31-00:34
‘Ich arbeite immer donnerstags.’
Die Gebärde ‘REGELMÄSSIG’ wird gleichzeitig mimisch mit geschlossenen Lippen und aufgeblasenen Wangen begleitet. Diese Kombination aus Gebärde und Mimik ergibt ein Synonym für ‘immer. Die Gebärde ‘IMMER’ wird in diesem Beispiel weggelassen. Eine weitere mögliche Satzstruktur ist folgende:
ICH IMMER DONNERSTAG ARBEITEN REGELMÄSSIG || – 00:43-00:46
‘Ich arbeite immer donnerstags.’
In diesem Beispiel werden sowohl die Gebärde ‘IMMER’ als auch die Gebärde ‘REGELMÄSSIG’ (mit entsprechender Mimik, am Satzende) benutzt. Diese Kombination wird verwendet, wenn die Regelmässigkeit einer bestimmten Handlung betont werden soll.
Lexikalisierte Gebärden, welche eine Abfolge oder die Gleichzeitigkeit von Handlungen darstellen, sind z.B. ‘NACHHER’, ‘VORHER’, ‘DANN’ (hier existieren 3 Varianten mit demselben Mundbild) und ‘WÄHREND’:
(a) NACH(HER) – 00:10-00:11
(b) VOR(HER) – 00:11-00:12
(c) DANN – 00:13-00:17
(d) WÄHREND – 00:19-00:20
Eine abgeschlossene Handlung wird durch die lexikalisierte Gebärde ‘FERTIG’ oder ‘SCHON’ – mit oder ohne Mundbild (‘fertig’, ‘schon’) – angezeigt.
Die Gebärde ‘SCHON’ folgt meist nach der Handlung, kann aber auch vor dem Verb stehen.
FERTIG/SCHON (ohne Mundbild, mit Mundbild ‘fertig’, mit Mundbild ‘schon’ – 00:14-00:17
Eine noch andauernde Handlung muss nicht speziell gekennzeichnet werden, das Andauern kann aber durch die lexikalisierte Gebärde ‘NOCH’ verdeutlicht werden.
NOCH – 00:29-00:30
Im Folgenden illustrieren die Beispiele, wie ‘FERTIG’/’SCHON’ und ‘NOCH’ in Satzstrukturen integriert sind:
(a) Handlung ohne Hinweis auf Abschluss
ICH BUCH LESEN || – 00:35-00:38
‘Ich lese ein Buch.’
(b) Nicht-abgeschlossene Handlung (Frage-Antwort-Interaktion)
Frage:
DU BUCH LESEN SCHON DU jn? – 01:03-01:06
‘Hast du das Buch (schon) gelesen?’
Antwort:
ICH NOCH-NICHT | ICH NOCH LESEN || – 01:07-01:10
‘Nein, ich habe es noch nicht gelesen. Ich bin noch am Lesen.’
(c) Abgeschlossene Handlung
ICH BUCH LESEN FERTIG || – 00:44-00:48
‘Ich habe das Buch gelesen.’
(d) Abgeschlossene Handlung (Frage-Antwort-Interaktion)
Frage:
DU BUCH FERTIG LESEN DU jn? – 00:54-00:56
‘Hast du das Buch (schon) gelesen?’
Antwort:
ICH FERTIG LESEN || – 00:57-00:58
‘Ja, ich habe es gelesen.’
Um eine Zeitangabe oder Zeitdauer noch klarer auszudrücken, wird nebst lexikalisierten Gebärden und nicht-manuellen Markern auch der Gebärdenraum genutzt.
Folgende drei Techniken werden unterschieden: Horizontal verlaufende Zeitlinien, Kombination dieser Zeitlinien und Darstellung der Zeit auf einer Vertikalen.
Im Folgenden werden die verschiedenen Techniken erläutert.
Mittels sogenannter Zeitlinien lässt sich Zeit im Raum darstellen. Es lassen sich damit präzise Zeitpunkte, mehr oder weniger genaue Zeitangaben (zum Beispiel ‘Um ca. zwei Uhr’), eine bestimmte Zeitdauer sowie Vor- und Nachzeitigkeit ausdrücken. Im Folgenden werden fünf verschiedene Zeitlinien unterschieden und weitere Raum-Zeit-Techniken erläutert.
Lexikalisierte Gebärden wie ‘GESTERN’, ‘MORGEN’, ‘HEUTE’, ‘DAMALS’, ‘SPÄTER’ haben ihren Ursprung in der Zeitlinie A, sind jedoch nicht mit der Zeitlinie A gleichzusetzen.
Die Zeitlinie A wird zum Beispiel ersichtlich, wenn die Gebärden ‘ZWEI-WOCHE’ in einem Bogen rückwärts über die Schulter ausgeführt wird. Dies bedeutet ‘Vor zwei Wochen’. Wenn nun die Gebärde ‘ZWEI-WOCHE’ in einem Bogen nach vorne über die Schulter – also ebenfalls auf der Zeitlinie A verortet – gebärdet wird, bedeutet dies ‘in zwei Wochen’. Die Zeitlinie A ist auch in folgendem Beispiel zu erkennen:
ICH ZWEI-WOCHEZL-B-Zeitpunkt | ZWEI-WOCHEZL-B-Zeitdauer FERIEN ||
‘In zwei Wochen habe ich zwei Wochen Ferien.’ – 00:59-01:02
Die Zeitlinie B wird verwendet, um eine Abfolge darzustellen. Gebärden wie ‘WOCHE’, ‘GERADE’, ‘ZWISCHEN’, ‘BIS’ sind nicht als Zeitlinie B zu verstehen, tragen ihren Ursprung aber in dieser Zeitlinie.
Die Zeitlinie B ermöglicht es beispielsweise, einen Monat als eine Art Masseinheit vor dem Körper darzustellen und diese wiederum in zwei weitere Einheiten zu unterteilen, wie folgendes Beispiel zeigt:
ICH EIN MONAT ZEITMARKER ZL-B Abschnitt ganz |
ICH ZWEI-WOCHEZL-B links ICH ARBEITENZL-B links |
dH: DANN ZWEI-WOCHEZL-B mitte bis rechts ICH FERIENZL-B rechts ||
ndH: ZEITMARKERZL-B mitte >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>||
‘In den ersten zwei Wochen dieses Monats arbeite ich, danach habe ich zwei Wochen Ferien.’ – 00:29-00:37
Derselbe Inhalt kann auch ohne räumliche Verortung auf der Zeitlinie B gebärdet werden: – 00:46-00:50
Die Zeitlinie C kommt oft zur Anwendung. Sie führt die Zeitlinien A und B zusammen. Lexikalisierte Gebärden wie ‘NACH’, ‘VOR’, ‘DIESE’ orientieren sich in ihrer Bewegungsrichtung an dieser Zeitlinie.
Ein mögliches Beispiel:
dH: IXZL-C Zeitpunkt a ZWÖLF AUGUST aVORbrückwärts aDIESEb ICH ARBEITEN |
ndH: IXZL-C Zeitpunkt a >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
dH: NACHHER aVON-BISZL-C vorwärts ICH FERIEN GEHEN ||
ndH: ZEITMARKERZL-C a >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
‘Bis zum 12. August arbeite ich, danach gehe ich in die Ferien.’ – 00:36-00:45
Dabei wird auf der Zeitlinie C zunächst der 12. August gesetzt und mit der passiven Hand mittels Index als Referenzpunkt gehalten, um zu erklären, was vor bzw. nach dem 12. August passiert.
Die Zeitlinie D wird diagonal von links nach rechts vor dem Körper dargestellt und trägt ihren Ursprung in der Zeitlinie B. Als Diagonale bietet sie mehr Platz und eignet sich zur Darstellung einer längeren Zeitdauer wie eines Lebenslaufs oder des beruflichen Werdegangs. Im Vergleich zu den anderen Zeitlinien wird die Zeitlinie D jedoch weniger oft benutzt.
Zeitangaben können auch nur mittels nicht-manueller Komponenten (Körper, Mimik) dargestellt werden. Beispielsatz:
(Hände)
MONTAG DIENSTAG ICH ARBEITEN | MITTWOCH ICH FREI |
(Kopf+Oberkörper)
links neigen >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
(Hände)
DONNERSTAG FREITAG ICH IXa ZÜRICH ARBEITEN ||
(Kopf+Oberkörper)
rechts neigen>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
‘Am Montag und Dienstag arbeite ich, am Mittwoch habe ich frei und am Donnerstag und Freitag arbeite ich in Zürich.’ – 00:15-00:24
In diesem Beispiel wird deutlich, dass sich der Oberkörper entsprechend der Wochentage bewegt. Die Wochentage werden nicht auf der Zeitlinie indexiert, Kopf und Oberkörper bewegen sich aber von links nach rechts.
Es ist möglich, verschiedene Zeitlinien miteinander zu kombinieren. Wie diese geschieht, ist kontextabhängig. Folgendes Beispiel enthält kombinierte Zeitlinien:
dH: ZWEI-WOCHEZL-A Vergangenheit ICH MERKEN DIESEZL-C a-b ICH ARBEITEN |
ndH: IXa >>>>>>>>>>>>>>>>>
dH: NACHHER VON-BISZL-C b-c EIN MONAT FERIEN |
ndH: ZEITMARKERZL-C b >>>>>>>>>>>>>>>
dH: ZEITMARKERZL-B a-c VON-BISZL-B a-c ZWEI-WOCHEZL-B a-b ITALIENlinks AUSLAND |
ndH: ZEITMARKERZL-B a >>>>>>>>>>>>>>>>>>>
dH: IXZL-B b ZWEI-WOCHE-ZL-B b-c DEUTSCHLAND IXc. || PALM-UP | MUSS ICH ABSAGEN ||
ndH: ZEITMARKERZL-B b. >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
‘Vor zwei Wochen erst habe ich realisiert, dass ich nur noch diese Woche arbeite und anschliessend einen Monat Ferien habe, zuerst zwei Wochen in Italien und danach zwei Wochen in Deutschland. Nun muss ich die Ferien aber absagen.’ – 00:20-00:34
Hier wurden drei verschiedene Zeitlinien miteinander kombiniert: Die Zeitlinie A (,vor zwei Wochen’, die Zeitlinie C (‘diese’, ‘dann ein Monat’) und die Zeitlinie B (‘ein Monat’).
Es gibt fünf weitere Raum-Zeittechniken, denen eine bildhafte Vorstellung von Zeit zugrunde liegt: Sie werden im Folgenden bezeichnet als Tageszeit, Uhrzeit vertikal-frontal (vertikale Frontalebene), Uhrzeit Handgelenk, Kalenderzeit und Alter.
Die Tageszeit, also der Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend, sowie der Tagesverlauf werden auf einem imaginären Halbkreis im Uhrzeigersinn dargestellt. Zum Beispiel:
ICH ARBEITEN ZWEI-STUNDE ZEITMARKERVormittag | NACHMITTAG ICH DREI-STUNDE ZEITMARKER(Nachmittag) ||
‘Am Vormittag arbeite ich zwei, am Nachmittag drei Stunden.’ – 00:12-00:18
Die Uhrzeit vertikal-frontal wird auf einem imaginären Kreis analog dem Bild einer Wanduhr dargestellt. Lexikalisierte Gebärden wie ‘VORMITTAG’, ‘NACHMITTAG’, ‘HALB’, ‘PUNKT’ haben ihren Ursprung in diesem Bild.
Folgender Satz macht Angaben zur Uhrzeit ohne die Verwendung der eben beschriebenen Technik:
ICH HEUTE VORMITTAG BIS ELF ICH ARBEITEN || – 00:27-00:31
‘Heute Vormittag arbeite ich bis 11 Uhr.’
Wird die Uhrzeit jedoch vertikal-frontal dargestellt, so sieht dies folgendermassen aus:
ICH HEUTE ZEITMARKERZL-Uhrzeit-vertikal Vormittag -11h ELF ICH ARBEITEN | ZEITMARKERZL Uhrzeit-vertikal Nachmittag ICH FREI ||
‘Heute Vormittag arbeite ich bis 11 Uhr, nachmittags habe ich frei.’ – 00:37-00:44
Diese Technik bezieht sich auf das Bild einer Armbanduhr, auf welcher die Zeit bzw. ein zeitlicher Verlauf dargestellt werden kann.
Im folgenden Satz wird diese Technik benutzt:
dH: 1BEIDE2 TREFFEN ELF PUNKT ZEITMARKERZL-Handgelenk-Punkt ||
dH:
WENN DU ZEITMARKERZL-Handgelenk Ablauf | ICH HEIMGEHEN ||
ndH:
ZL-Handgelenk >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
‘Wir beide treffen uns pünktlich um 11 Uhr. Falls du später kommst, werde ich gehen.’ – 00:09-00:17
Kalenderzeit – 00:18-00:21
Die Kalenderzeit entspricht dem Bild eines Kalenders mit untereinander angeordneten Wochenzeilen. Eine weniger bekannte Gebärde für ‘WOCHE’, welche mit gebeugter L-Handform ausgeführt wird, hat ihren Ursprung in diesem Bild.
Im folgenden Beispiel wird die Kalenderzeit nicht benützt:
ICH EIN-WOCHE ARBEITEN | DANN ICH ZWEI-WOCHE FERIEN | VIERTE WOCHE IXa ICH ZURÜCK ||
‘Ich arbeite noch eine Woche, dann habe ich zwei Wochen Ferien und in der vierten Woche bin ich zurück.’ – 00:18-00:25
Wird die Kalenderzeit verwendet, sieht der Satz folgendermassen aus:
dH: ICH ERSTE ZEITMARKERZL-Kalender 1. Reihe IXZL-Kal.1.Reihe ICH ARBEITEN |
ndH: ZEITMARKERZL-Kal. 1. Reihe links >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
dH: ZWEITE DRITTE ZEITMARKERZL-Kal. 2. Reihe 3. Reihe ICH WEGGEHEN FERIEN |
ndH: ZEITMARKERZL-Kal. 1. Reihe links >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
dH: ZURÜCK IXZL-Kal.1.Reihe ZEITMARKERZL-Kal. 4. Reihe VIERTE ZEITMARKERZL-Kal. 4. Reihe|
ndH: ZEITMARKER 1.Reihe obe links. >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
ICH ZURÜCK ARBEITEN ||
‘In der ersten Woche arbeite ich, in der zweiten und dritten Woche bin ich in den Ferien und in der vierten Woche muss ich dann zurück zur Arbeit.’ – 00:34-00:46
Das Alter, das Heranwachsen oder der Lebenslauf können auf einer Vertikalen seitlich der Hüfte Richtung Kopf dargestellt werden. Die Bewegung bzw. das Innehalten auf dieser Vertikalen verweist dabei auf den zeitlichen Verlauf bzw. bezeichnet einen Lebensabschnitt. In folgendem Beispiel kommt diese Technik zur Anwendung:
ICH AUFWACHSEN(tief unten-unten) FÜNF ALT ZEITMARKERZL-Alter (unten) ICH EINTRETEN
KINDERGARTEN SCHULE LAUFEND |
ZEITMARKERZL-Alter (unten-mitte) ICH ZWÖLF ALT OBERSTUFE SCHULE FERTIG |
ZEITMARKERZL-Alter (mitte-oben) BIS SECHSZEHN ICH DANN EINTRETEN LEHRE
ARBEITEN LAUFEND ||
‘Mit fünf Jahren ging ich in den Kindergarten, danach in die Schule. Mit Zwölf kam ich in die Oberstufe und mit 16 dann in die Lehre.’ – 00:13-00:30
Diese Technik wird jedoch selten benutzt.
Es gibt drei unterschiedliche Techniken, um auszudrücken, ob es sich um eine bestimmte oder mehr oder weniger offene Zeitangabe handelt: Die erste nutzt dazu unterschiedliche Handformen, die zweite unterschiedliche Bewegungen und die dritte die Mimik.
Es lassen sich drei Haupthandformen unterscheiden, welche zusammen mit den unterschiedlichen Zeitlinien und weiteren Raum-Zeit-Techniken kombiniert werden können. Dazu gehört der ausgestreckte Zeigefinger, die flache B-Handform mit ausgestrecktem Daumen und die gebeugte L-Handform. Die unterschiedlichen Handformen lassen sich teilweise auch kombinieren.
Ausgestreckter Zeigefinger
Der Zeigefinger der nichtdominanten Hand wird gehalten und legt damit einen Anfangszeitpunkt fest. Der Zeigefinger der dominanten Hand steht immer in Bezug zu dieser Referenz und zeigt je nach Bewegung einen Endpunkt, einen weiteren Zeitpunkt oder eine Zeitdauer ohne Endzeitpunkt an. Dies immer in Kombination mit einer Zeitlinie oder einer anderen Raum-Zeit-Technik. – 00:22-00:33
B-Handform mit ausgestrecktem Daumen
Hier wird der ausgestreckte Zeigefinger
einfach durch eine flache B-Handform mit ausgestrecktem Daumen ersetzt. – 00:36-00:41
Es ist auch möglich, die beiden Handformen zu kombinieren. Während ein Anfangszeitpunkt mit dem ausgestreckten Zeigefinger angezeigt und gehalten wird, bildet die aktive Hand eine B-Handform mit ausgestrecktem Daumen. Der Beginn und das Ende eines Zeitabschnitts kann durch die B-Handform in beiden Händen angezeigt werden. – 00:44-00:48
Gebeugte L –Handform
Die gebeugte L-Handform kann analog eingesetzt werden, zeigt jedoch einen Zeitabschnitt mit Anfang und Ende an. Auf diese Weise können auch mehrere Zeitabschnitte aneinandergereiht werden.
Mit einer zusätzlichen B-Handform mit ausgestrecktem Daumen kann ein weiterer Zeitabschnitt hinzugefügt werden, welcher vor, innerhalb oder nach dem durch die gebeugte L-Handform bezeichneten Zeitabschnitt liegt. Mit der Zeigefinger-Handform kann schliesslich betont werden, von welchem der angezeigten Zeitabschnitte nun die Rede ist.
Es können also alle drei Handformen miteinander kombiniert werden. – 00:52-01:02
Die drei erläuterten Handformen zeigen an, ob es sich um eine bestimmte oder mehr oder weniger offene Zeitangabe handelt. Die Art und Weise der zeitgleich ausgeführten Bewegung kann dies zusätzlich verdeutlichen.
Genau bestimmter Zeitpunkt:
Eine einmalige Ausführung der Zeigefinger – oder der B-Handform – auf einer Zeitlinie bzw. kombiniert mit einer anderen Raum-Zeit-Technik – steht für einen bestimmten Zeitpunkt.
Genau bestimmter Zeitpunkt betont:
Eine zweimalige Ausführung der Zeigefinger- oder der B-Handform betont dies noch stärker.
Genau bestimmte Zeitdauer:
Eine einmalige Bewegung der Zeigefinger- oder der B-Handform auf der Zeitlinie B von links nach rechts drückt eine Zeitdauer mit klar festgelegtem Anfang und Ende aus. Für die gebeugte L-Handform gibt es diese Möglichkeit nicht.
Zeitdauer ohne genau bestimmten Anfang und ohne genau bestimmtes Ende:
Eine Hin- und Herbewegung bzw. eine Vor- und Rückwärtsbewegung der Zeigefinger-, der B- oder der gebeugten L-Handform drückt aus, dass es sich dabei um eine Zeitdauer handelt, deren Anfang und Ende nicht klar definiert sind.
Ob es sich um eine bestimmte oder mehr oder weniger offene Zeitangabe handelt, kann auch mit nicht-manuellen Komponenten ausgedrückt werden.
Folgende Mundform drückt eine bestimmte Zeitangabe aus (diese!) (siehe Kapitel 2):
Kann keine Zeitangabe gemacht werden, wird dies folgendermassen dargestellt (zwei Möglichkeiten):
Die Bewegung des Kopfes und des Oberkörpers liefern zusätzliche Informationen. Durch ein ein- oder zweimaliges Kopfnicken wird eine Zeitangabe bestätigt, durch Kopfschütteln verneint. Wird der Kopf nach vorne geneigt, mit einer spezifischen Mimik und mit Kopfnicken begleitet, so wird damit die Frage nach einer Zeitangabe ausgedrückt.
Folgende Beispiele veranschaulichen das Erklärte:
Bestätigung einer Zeitangabe:
‘Am 12. August’ wird gebärdet und dazu wird bestätigend mit dem Kopf genickt. – 00:49-00:54
Verneinung einer Zeitangabe:
‘Am 12. August’ wird gebärdet und der Kopf wird gleichzeitig hin- und her geschüttelt. – 00:56-00:58
Frage nach einer Zeitangabe:
Der Kopf wird nach vorne geneigt, es wird gebärdet ‘12. August’, begleitet mit Frage-Mimik und es wird genickt. – 01:00-01:03
Die drei Handformen sind auf den unterschiedlichen Zeitlinien beliebig kombinierbar. Zum Beispiel kann die – Handform vor dem Körper platziert werden (nichtdominante Hand). Anschliessend wird von dieser aus mit der dominanten Hand (3 Handformen) auf der Zeitlinie nach links oder nach rechts gefahren.
Der gesamte Unterarm der nichtdominanten Hand steht hier stellvertretend für die Zeitlinie.
Da Rechtshändigkeit überwiegt, wird auch mehrheitlich die rechte Hand als dominante Hand beim Gebärden benutzt. Rechtsdominante Personen führen Zeitangaben auf der Zeitlinie B von links nach rechts aus. So beginnt eine Woche immer links, der Montag wird ganz links, der Freitag ganz rechts auf der Zeitlinie platziert.
Linksdominante Personen dürfen dies spiegelverkehrt darstellen, den Montag also ganz rechts, den Freitag ganz links auf der Zeitlinie platzieren.
Ebenso verfahren sie bei der Darstellung der Urzeit, indem sie beispielsweise den Vormittag mit der linken, dominanten Hand spiegelverkehrt darstellen.
Vereinzelt verwenden linksdominante Personen jedoch auch die rechte Hand für Zeitangaben.
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