Eine Handlung beziehungsweise Aktion wird durch ein Verbfolgt noch. ausgedrückt. Es werden folgende Verbarten unterschieden: Einfache Verbenfolgt noch., übereinstimmende Verben, Ortswechsel- und Pfad-Verben, Hilfsverbenfolgt noch., produktive Verbformenfolgt noch. und Modalverbenfolgt noch.. Verben können mit zusätzlichen Informationen gleichzeitig angereichert werden.
Bei einfachen Verben handelt es sich um lexikalisierte GebärdenJede Gebärde bzw. Gebärdenform, die im GaLex enthalten ist, hat von uns einen eindeutigen Namen erhalten, durch den diese Gebärde bzw. diese… … mehr wie ‘SCHLAFEN’, ‘KAUFEN’, ‘SPIELEN’, ‘LESEN’, ‘DENKEN’, ‘LÜGEN’ oder ‘ARBEITEN’. Die Parameter HandformDie Handform stellt einen grundlegenden Parameter jeder Gebärde dar. Jede Gebärdensprache hat eine begrenzte Anzahl von Handformen in ihrem linguistischen…, Handstellungfolgt noch. und Bewegungfolgt noch. werden nie flektiert (grammatikalisch verändert). Einzig die Ausführungsstelle ist bei gewissen Verben modifizierbar (veränderbar).
Beispiele: Einige einfache Verbenfolgt noch.:
(a) SCHLAFEN – 00:08-00:09
(b) KAUFEN – 00:09-00:10
(c) SPIELEN – 00:11-00:12
(d) LESEN – 00:13-00:14
(e) DENKEN – 00:14-00:15
(f) LÜGEN – 00:16-00:17
(g) ARBEITEN – 00:18-00:19
Die einfachen Verben lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Die eine Kategorie umfasst Verben, welche im neutralen GebärdenraumDer Gebärdenraum ist der dreidimensionale Raum, in dem die Gebärdensprache artikuliert wird. Er erstreckt sich so weit, wie die gestreckten… ausgeführt werden. Dazu gehören zum Beispiel ‘ARBEITEN’, ‘SPIELEN’, ‘LESEN’ und ‘KOCHEN’. Zur anderen Kategorie zählen körpergebundene Verben wie ‘SCHLAFEN’, ‘LÜGEN’, ‘ESSEN’ und ‘DENKEN’.
Bei Verben der ersten Kategorie kann die Ausführungsstelle im GebärdenraumDer Gebärdenraum ist der dreidimensionale Raum, in dem die Gebärdensprache artikuliert wird. Er erstreckt sich so weit, wie die gestreckten… leicht modifiziert werden. Folgender Satz veranschaulicht diese Möglichkeit:
ICH HEUTE MORGEN IXa ARBEITENa | ABEND ICH IXb KOCHENb || – 01:14- 01:18
‘Heute Vormittag arbeite ich, am Abend werde ich kochen’.
Die Verben ‘ARBEITEN’ und ‘KOCHEN’ werden in diesem Beispiel nicht vor dem Oberkörperfolgt noch., sondern links und rechts ausgeführt, da mit den Tätigkeiten unterschiedliche Orte assoziiert werden.
Zu gewissen Verben der zweiten Kategorie muss das Hilfsverb PAM (‘person agreement marker’, Personenkongruenzmarker) hinzugefügt werden, um die Übereinstimmung von Verbfolgt noch. und zuvor verorteten ReferentReferent bezeichnet das Referenzobjekt in der aussersprachlichen Wirklichkeit, auf das sich der/die Gebärdende mit einem Gebärdenausdruck bezieht und dadurch identifizierbar…:innen (Subjekt, Objektfolgt noch.) aufzuzeigen:
Personenkongruenzmarker PAM
Das Hilfsverbs PAM drückt durch die Bewegungfolgt noch. des Handgelenks aus, wer die Handlung ausführt (Agensfolgt noch.) und wer von der Aktion oder Handlung betroffen ist (Patiensfolgt noch. oder Rezipientfolgt noch.). Der Handrücken zeigt dabei immer in Richtung Subjektfolgt noch. (Agensfolgt noch.), die Handfläche am Ende der Bewegungfolgt noch. in Richtung Objektfolgt noch. (Patiensfolgt noch.). Das Hilfsverb PAMfolgt noch. folgt unmittelbar auf das Verbfolgt noch..
Dazu je ein Beispiel mit den Verben ‘LÜGEN’ und ‘MÖGEN’:
IX-3a LÜGEN aPAMb || – 01:44-01:47
‘Er/sie lügt ihn/sie an.’
Das Hilfsverb PAMfolgt noch. zeigt also auf, wer Subjekt und wer Objekt ist beziehungsweise welche der beiden ReferentReferent bezeichnet das Referenzobjekt in der aussersprachlichen Wirklichkeit, auf das sich der/die Gebärdende mit einem Gebärdenausdruck bezieht und dadurch identifizierbar…:innen die handelnde Person (Agens) ist und welche von der Aktion oder Handlung betroffen (Patiensfolgt noch.) ist.
IX-3a GERN-HABEN aPAMb || – 01:53-01:55
‘Er/sie mag ihn/sie.’
Das Hilfsverb PAMfolgt noch., welches zu gewissen einfachen körpergebunden Verben hinzugefügt wird, kann mit folgenden zwei Handformen ausgeführt werden:
(a) Handformfolgt noch. 1
PAM und ‘PERSON’ werden mit unterschiedlichen Bewegungsabläufen ausgeführt und haben eine je andere Funktion beziehungsweise Bedeutung.
Das Hilfsverb PAMfolgt noch. kann mit der dominanten wie auch mit der nichtdominanten Handfolgt noch. ausgeführt werden.
Das einfache Verbfolgt noch. kann im Satz an unterschiedlicher Stelle stehen. Folgende Anordnungen von Subjektfolgt noch., Objektfolgt noch. und einfachem Verb sind korrekt: S-O-V, S-V-O und O-S-V. Dazu je ein Beispiel:
(a) S-O-V
ICH BROT KAUFEN || – 00:42-00:44
‘Ich kaufe (ein) Brot.’
Das einfache Verbfolgt noch. ‘KAUFEN’ steht am Schluss des Satzes.
(b) S-V-O
ICH KAUFEN BROT || – 00:53-00:55
‘Ich kaufe Brot.’
Diese Reihenfolge ist üblich, wenn in der folgenden Aussage unmittelbar wieder auf das Objektfolgt noch. Bezug genommen wird wie in folgendem Beispiel:
(c) S-V-O
ICH KAUFEN BROT IX-3 || IX-3 FEIN Geste(sehr) TEUER IX-3 || – 01:03-01:07
‘Ich kaufe Brot. Es ist sehr fein, aber auch recht teuer.’
(d) O-S-V
BROT | ICH IX-3 KAUFEN || – 01:18-01:20
‘Brot kaufe ich.’
Um das Objektfolgt noch. zu betonen, es zum Thema des Satzes zu machen, wird es an den Anfang gestellt. Anschliessend folgt der Kommentar beziehungsweise die Aussage (Rhema) zum eingeführten Thema (Topikalisierung). Die thematische Hervorhebung wird mimisch, die Unterscheidung zwischen Thema und Rhema durch die unterschiedliche Haltung des Kopfes/Oberkörpers markiert.
Übereinstimmende Verben sind lexikalisierte GebärdenJede Gebärde bzw. Gebärdenform, die im GaLex enthalten ist, hat von uns einen eindeutigen Namen erhalten, durch den diese Gebärde bzw. diese… … mehr wie ‘FRAGEN’, ‘ERKLÄREN’, ‘TELEFONIEREN’ oder ‘ANTWORTEN’. Um die Übereinstimmung (Kongruenz) zwischen Verb, Subjekt und Objekt darzustellen und Informationen zu Person und Numerus zu vermitteln, werden Handstellungfolgt noch., Bewegung und Ausführungsstelle flektiert.
Beispiele: Nicht-modifizierte Grundformen einiger Übereinstimmungsverben
(a) FRAGEN – 00:07-00:08
(b) ERKLÄREN – 00:08-00:09
(c) TELEFONIEREN – 00:10-00:11
(d) ANTWORTEN – 00:11-00:12
Übereinstimmende Verben bewegen sich zwischen verschiedenen Punkten (oder Loki) im Gebärdenraum, welche unterschiedliche Referent:innen repräsentieren (siehe Kapitel 2). In der Regel beginnt die Bewegungfolgt noch. bei dem Punkt, welcher das Subjektfolgt noch. repräsentiert und endet bei jenem Punkt, welcher für das direkte oder indirekte Objekt steht. Es gibt aber auch übereinstimmende Verben, bei denen es sich genau umgekehrt verhält, die Bewegungfolgt noch. also beim Objektfolgt noch. beginnt und beim Subjektfolgt noch. endet (= umgekehrte Übereinstimmung).
Einige Übereinstimmungsverben können für jede grammatische Person modifiziert werden. Diese Verben sind multidirektional, d. h. die Bewegungfolgt noch. kann zu und von den Bezugspunkten aller Personen erfolgen.
Bei anderen Verben ist die Bewegungfolgt noch. teilweise-direktional, d. h. sie kann nur in die Richtung bestimmter ReferentReferent bezeichnet das Referenzobjekt in der aussersprachlichen Wirklichkeit, auf das sich der/die Gebärdende mit einem Gebärdenausdruck bezieht und dadurch identifizierbar…:innen erfolgen, was bedeutet, dass sie nicht für jede grammatische Person modifiziert werden kann. Grund für eine nur teilweise-direktionale Modifikation sind physiologische Gegebenheiten wie der eingeschränkte Bewegungsradius des Handgelenks.
Bei multidirektionalen Übereinstimmungsverben wie ‘FRAGEN’, ‘ERKLÄREN’ oder ‘TELEFONIEREN’ beginnt die Bewegung immer beim Subjektfolgt noch. und endet beim Objektfolgt noch.:
(a) 1FRAGEN3 – 00:33-00:34
‘Ich frage ihn/sie.’
Multidirektionale Übereinstimmungsverben sind für jede grammatische Person modifizierbar, d.h. die Bewegungfolgt noch. ist in Richtung aller ReferentReferent bezeichnet das Referenzobjekt in der aussersprachlichen Wirklichkeit, auf das sich der/die Gebärdende mit einem Gebärdenausdruck bezieht und dadurch identifizierbar…:innen ausführbar:
(b) 3FRAGEN1 – 00:50
‘Er/sie fragt mich.’
(c) 3FRAGEN2 – 00:53-00:55
‘Er/sie fragt dich.’
(d) 2FRAGEN1 – 00:58-00:59
‘Du fragst mich.’
(e) 3aFRAGEN3b – 01:03-01:05
‘Er/sie fragt ihn/sie.’
(f) 3bFRAGEN3a – 01:05-01:18
‘Er/sie fragt ihn/sie.’
Bei Verben wie ‘EINLADEN’, ‘ABHOLEN’ oder ‘AUSWÄHLEN’ erfolgt die Markierung von Subjektfolgt noch. und Objektfolgt noch. genau umgekehrt. Ausgangspunkt des Verbs ist das Objektfolgt noch., Endpunkt das Subjekt, wie auch folgende Beispiele zeigen:
(a) 3EINLADEN1 – 00:28-00:29
‘Ich lade ihn/sie ein.’
(b) 3aAUSWÄHLEN3b – 00:54-00:55
‘Er /sie wählt ihn/sie.’
(c) 1KOPIEREN2 – 00:56-00:57
‘Du kopierst mich.’
Umgekehrt übereinstimmende Verben können ebenfalls in alle Richtungen ausgeführt werden, sind also ebenfalls für jede Person flektierbar.
Alle multidirektional übereinstimmenden Verben können für jede grammatische Person modifiziert werden. Bei einigen Verben mit teilweise-direktionaler Übereinstimmung wie z.B. ‘VERKAUFEN’, ‘FOLGEN’, ‘BEZAHLEN’ ist eine Richtungsumkehr in Richtung der ersten Person unmöglich, weil es physisch schwierig ist, diese Umkehrung zu erzeugen. Eine Bewegungsausführung von der 2. Person (als Subjektfolgt noch.) zur 1. Person (als Objekt) beziehungsweise von der 3. Person (als Subjektfolgt noch.) zur 1. Person (als Objektfolgt noch.) ist nicht möglich:
(a) Nicht mögliche Übereinstimmung – 00:36-00:40
Beispiele: Teilweise-direktionale Verben, bei denen eine Richtungsumkehr nicht möglich (=*) ist:
(b) *3BEZAHLEN1 – 00:42-00:43
‘Er/sie bezahlt mir.’
(c) *3FOLGEN1 – 00:45-00:46
‘Er/sie folgt mir.’
(d) *3VERKAUFEN1 – 01:00-01:01
‘Er/sie verkauft mir.’
Möglich sind also nur die folgenden Übereinstimmungen:
(e) Mögliche Übereinstimmung – 00:49-00:56
Im Gegensatz zu den multidirektionalen übereinstimmenden Verben ist es aus physiologischen Gründen nicht möglich, bei teilweise-direktionalen Verben eine Bewegungfolgt noch. von der 1. Person (als Objekt) zur 2. Person oder 3. Person (als Subjektfolgt noch.) auszuführen:
(a) Nicht mögliche Übereinstimmung – 00:16-00:18
Beispiele: Ausnahmen – Keine (*) umgekehrt teilweise-direktionale Verben
(b) *3AUSLEIHEN1 – 00:31
‘Er/sie leiht von mir aus.’
Da das Verbfolgt noch. ‘AUSLEIHEN’ in dieser Konstellation nicht flektiert werden kann, müssen Subjektfolgt noch. und Objektfolgt noch. durch Indexieren angezeigt werden. Subjektfolgt noch. und Objektfolgt noch. müssen bei diesem Verbfolgt noch. durch eigenständige Angaben identifiziert werden, z. B., indem man auf die für sie festgelegten räumlichen Bezugspunkte (Loki) zeigt:
(c) IX-3 POSS-1 BUCH AUSLEIHEN || – 00:35-00:37
‘Er/sie leiht sich mein Buch aus.’
Das übereinstimmende Verbfolgt noch. wird damit zum einfachen Verbfolgt noch..
Eine andere Möglichkeit ist die Rollenübernahmefolgt noch.:
(d) IX-3a POSS-1 BUCH | AUSLEIHEN(Rollefolgt noch. IX-3a) || – 00:41-00:43
‘Er/sie leiht sich mein Buch aus.’
Durch die Rollenübernahmefolgt noch. (siehe Kapitel 11) und damit das Drehen des Oberkörpers ist es physiologisch möglich, die Bewegungfolgt noch. aus der Perspektive der 3. Person (Subjektfolgt noch.) auszuführen.
Alle übereinstimmenden Verben beinhalten Informationen zu grammatischer Person und Numerus (Singular und Plural). Person und Numerus werden durch die ParameterParameter sind die Bausteine, aus denen sich Gebärden zusammensetzen. Sie gelten als die Grundelemente einer Gebärdensprache.Alle Gebärdensprachen verfügen über manuelle… Bewegungfolgt noch., Handstellungfolgt noch. und Ausführungsstelle flektiert. Anhand dieser ParameterParameter sind die Bausteine, aus denen sich Gebärden zusammensetzen. Sie gelten als die Grundelemente einer Gebärdensprache.Alle Gebärdensprachen verfügen über manuelle… wird ersichtlich, welche Personen wie miteinander interagieren.
(a) 1FRAGEN2 – 00:32-00:33
‘Ich frage dich.’
Die Frage der 1. Person Singular richtet sich an die 2. Person Singular. Daher verläuft auch die Bewegungfolgt noch. des Verbs ‘FRAGEN’ von ‘ICH’ in Richtung ‘DU’.
(b) 1FRAGEN2pl – 00:38-00:39
‘Ich frage euch.’
Die Frage der 1. Person Singular richtet sich an die 2. Person Plural. Die Bewegungfolgt noch. des Verbs von ‘FRAGEN’ beginnt ebenfalls bei ‘ICH’, zeichnet dann aber einen Halbkreis von links nach rechts, um ‘EUCH’ auszudrücken.
(c) 1FRAGEN3++ – 00:44-00:45
‘Ich frage ihn/sie unablässig.’
In diesem Beispiel (c) richten sich mehrere Fragen der 1. Person Singular an die 3. Person Singular. Die Bewegungfolgt noch. beginnen jeweils beim ‘ICH’ und endet bei ‘ER/SIE’. Da unablässig gefragt wird, wird die Gebärde – und damit die Bewegungfolgt noch. vom Subjektfolgt noch. zum Objektfolgt noch. – mehrmals wiederholt.
Es gibt einige wenige lexikalisierte Verben wie ‘KÜNDIGEN’ oder ‘MITTEILEN’, welche die Merkmale einfacher Verben und übereinstimmender Verben vereinen. Da es sich um körpergebundene Verben handelt, ist der Körper der gebärdenden Person (bei ‘KÜNDIGEN’ und ‘MITTEILEN’ die Nase beziehungsweise Stirn) zwingend Ausgangspunkt der Bewegungfolgt noch., auch wenn sie selbst nicht Subjektfolgt noch. ist:
(a) KÜNDIGEN – 00:16-00:17
(b) MITTEILEN – 00:18-00:19
Zu beiden Verben je ein Beispiel:
(c) POSS-1 CHEF KÜNDIGEN1 || – 00:23-00:25
‘Mein/e Chef:in hat mir gekündigt.’
Subjektfolgt noch. ist in Beispiel (c) der/die Chef:in (‘ER’/‘SIE’), Objektfolgt noch. die gebärdende Person (‘ICH’). Dennoch ist die Nase der gebärdenden Person (‘ICH’) Ausgangspunkt des Verbs. Allerdings endet die Bewegungfolgt noch. dann wieder beim Objektfolgt noch. (‘ICH’).
(d) IX-3 MITTEILEN3 – 00:41-00:43
‘Er/sie teilt ihr/ihm mit.’
In diesem Beispiel (d) ist die mitteilende Person Subjektfolgt noch. (‘ER’/‘SIE’), die empfangende ist Objektfolgt noch. (‘ER’/‘SIE’). Ausgangspunkt des Verbs ist die Stirn der gebärdenden Person, obwohl sie weder Subjektfolgt noch. noch Objektfolgt noch. ist.
Solche Mischformen aus einfachem und übereinstimmendem Verbfolgt noch. sind jedoch die Ausnahme.
Das übereinstimmende Verbfolgt noch. steht im Satz meist zwischen Subjekt und Objektfolgt noch. (S-V-O). Die Verortungfolgt noch. des Objekts wird dabei bereits durch die Bewegungsausführung des Verbs vorweggenommen, das Ende der Bewegungsausführung ist mit dem Objekt identisch:
(a)
z.B. 1FRAGEN3
Weniger effizient sind Satzstellungen mit dem übereinstimmenden Verbfolgt noch. am Schluss: S-O-V und O-S-V.
Beispiele: Alle drei Möglichkeiten S-V-O, S-O-V und O-S-V:
(b) S-V-O
ICH 1FRAGEN3a FRAU IX-3a || – 00:41-00:43
‘Ich frage die Frau.’
(c) S-O-V
ICH FRAU IX-3a 1FRAGEN3a || – 00:50-00:52
‘Ich frage die Frau.’
Diese Satzstellung ist weniger effizient als die erste, da sie eine zweimalige Bewegungfolgt noch. erfordert (1.: Verortungfolgt noch. ‘FRAU’ und 2.: übereinstimmendes Verbfolgt noch.).
Ebenfalls mehr Zeit benötigt folgende Anordnung:
(d) O-S-V
FRAU IX-3a | ICH 1FRAGEN3a || – 01:01-01:03
‘Ich frage die Frau.’
Durch eine solche Satzstellung wird das Objektfolgt noch. (‘die Frau’) betont (Topikalisierung) und zum zentralen Thema gemacht.
In Gebärdensprache ist es möglich, mehrere Informationen simultan zu übermitteln, da beide Hände gleichzeitig eingesetzt werden können:
(a) ZWEI PERSON PERSON dH:3a ndH:3b SCHAUEN1 || – 00:12-00:14
‘Zwei Personen schauen sich an.’
(b) ZWEI PERSON PERSON BUCH dH:3a ndH:3b GEBEN:3b ndH:3a || – 00:15-00:17
‘Zwei Personen tauschen ihre Bücher aus.’
In den Beispielen (a) und (b) wird dieselbe Handlung von zwei verschiedenen ReferentReferent bezeichnet das Referenzobjekt in der aussersprachlichen Wirklichkeit, auf das sich der/die Gebärdende mit einem Gebärdenausdruck bezieht und dadurch identifizierbar…:innen gleichzeitig und wechselseitig vollzogen. Die Verben (a) ‘SCHAUEN’ und (b) ‘GEBEN’ werden daher simultan und mit gespiegelter Bewegungfolgt noch. ausgeführt.
Es können auch unterschiedliche Verben gleichzeitig produziert werden, wie folgendes Beispiel zeigt:
(c)
dH: ICH 1FRAGEN2 ||
ndH: 3aSCHAUEN1 >>>>>>>>>>>>>>>>>>> || – 00:23-00:25
‘Während er/sie (A) mich anschaut, frage ich (B) ihn/sie.’
Der Aspekt der Art und Weise (einer Tätigkeit, eines Geschehens, eines Vorgangs oder eines Zustands) wird am Verb markiert mittels Mimikfolgt noch., Bewegungfolgt noch. und Ausführungsstelle.
Dazu einige Beispiele zur Art und Weise, wie eine Arbeit ausgeführt werden kann:
(a) ICH ARBEITEN(nmk: ‘gewöhnlich’) || – 00:34–00:36
‘Ich bin (in gewohnter Art und Weise) am Arbeiten.’
MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… ‹gewöhnlich›
MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… und Bewegungsgeschwindigkeit drücken aus, dass die Arbeit in gewohnter Art und Weise ausgeführt wird, leicht von der Hand geht und in üblichem Tempo erledigt wird.
(b) ICH ARBEITEN(nmk: ‘stressig’) || – 00:45–00:47
‘Ich erledige die anstrengende Arbeiten unter Stress.’
MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… ’stressig’
In Beispiel (b) handelt es sich um eine anstrengende Arbeit, die Stress verursacht.
Das Zusammenbeissen der Zähne bei geöffneten Lippen drückt Anstrengung und Anspannung aus.
(c) ICH ARBEITEN(nmk: ‘lustlos’) – 00:54–00:56
‘Ich verrichte die Arbeit lustlos.’
MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… ‹lustlos’
Dass die Arbeit kein Vergnügen bereitet, lässt sich an der MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… in Beispiel (c) erkennen.
(d) ICH ARBEITEN(nmk: ‘viel’) – 01:05–01:27
‘Ich habe viel Arbeit.’
MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… ‘viel’
Dass es sich um eine Menge Arbeit handelt, welche unter Zeitdruck ausgeführt wird, zeigen die aufgeblasenen Wangen und das Tempo, mit welchem die Gebärde ‘ARBEITEN’ ausgeführt wird.
(e) ICH ARBEITEN++(nmk:‘viel’) || – 01:13–01:15
‘Ich habe immer wieder viel Arbeit.’
MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… ‘viel’
Das mehrmalige Wiederholen des auf diese Weise ausgeführten Verbs bringt zum Ausdruck, dass regelmässig viel gearbeitet wird.
Eine Tätigkeit, ein Geschehen, ein Vorgang oder ein Zustand kann abgeschlossen oder unvollendet sein, andauern, sich in unterschiedlichen Zeitabständen wiederholen usw. Dieser Zeit-Aspekt wird am einfachen Verbfolgt noch. und am übereinstimmenden Verb markiert mittels Bewegungsausführung:
(a) ICH ARBEITEN++(nmk:‘viel’, ‘andauernd’) – 00:17-00:19
‘Ich bin ununterbrochen am Arbeiten.’
Die mehrmalige Wiederholung des Verbs ‘ARBEITEN’, die auf der Zeitlinie nach vorne fortschreitende Bewegungfolgt noch. und die Mimik weisen darauf hin, dass lange und ohne Unterbruch gearbeitet wird.
(b) IX-3 3FRAGEN1++++(nmk:‘missfallend’) || – 00:39-00:42
‘Er/sie fragt mich andauernd.’
In diesem Beispiel (b) wird das Verbfolgt noch. ‘FRAGEN’ mehrmals und schnell wiederholt. Die gebärdende Person wird also andauernd (in hoher Frequenz) gefragt. Mimisch wird Missfallen ausgedrückt.
(c) 3BESUCHEN1+++(nmk:‘ab-und-zu’) || – 00:53-00:56
‘Er/sie kommt mich ab und zu besuchen.’
Dass eine Handlung in einer gewissen Regelmässigkeit, aber in grösseren Zeitabständen ausgeführt wird, zeigt sich an der Wiederholung und dem Tempo der Bewegungfolgt noch.. Unterstrichen wird dies durch die Mundform und die Veränderung der Kopfhaltung.
Ortswechsel-Verben bezeichnen die Bewegung einer Person oder eines belebten oder unbelebten Objekts zwischen unterschiedlichen Orten (von-nach). Zusätzlich kann auch der grobe Verlauf dieser Bewegung vermittelt werden (‘wie’ von-nach?).
Pfad-Verben bezeichnen den Weg von einem Ausgangsort zu einem Zielort; sie funktionieren als eine Art Wegweiser/Pfeil (geradeaus, nach rechts, nach links, nach oben, nach unten).
Ortswechsel-Verben und Pfad-Verben werden entweder mit der Zeigefinger-Handform oder der B-Handform gebildet:
Handformen, verwendet in Ortswechsel-Verben und Pfad-Verben
Zeigefinger-Handform – B-Handform
Ortswechsel-Verben
Bei Ortswechsel-Verben sind die Fingerkuppen zu beachten. Sie zeigen eine imaginäre Linie an, die den Ausgangs- und Zielort miteinander verbinden.
Einige Beispiele zu den Ortswechsel-Verben (a-e):
(a)
dH: ICH ZÜRICH IXa aVON-BISb ST-GALLEN | ICH IX-ORTSW(a-b) || – 00:38-00:44
ndh: IXa>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> ||
‘Ich pendle zwischen Zürich und St. Gallen’.
Die Wiederholung der Bewegungfolgt noch. drückt aus, dass Hin- und Rückweg regelmässig zurückgelegt werden (‘pendeln’).
(b) BALL PROD-fortbewegen(Ball rollt) IX-ORTSW(Pfad+wie:hüpfen) || – 00:50-00:54
‘Der Ball rollt vom Tisch und hüpft über den Boden’.
Mittels Bewegungfolgt noch. wird hier veranschaulicht, wie sich der Ball fortbewegt (‘rollen’ und ‘hüpfen’).
(c) VOGEL FLIEGEN | IX-ORTSW(Pfad:a-b(nmk: ‘schnell’) || – 00:56-00:58
‘Ein Vogel fliegt schnell vorbei’.
Bewegungfolgt noch. und MundformEine Mundform (auch Mundgeste genannt) ist eine Mundbewegung (Lippen-, Zungen- und Wangenbewegung), die nicht von der gesprochenen Sprache abgeleitet ist… geben Auskunft zur Bewegungsgeschwindigkeit (‘schnell vorbeifliegen’).
(d) ICH BASEL ICH IXa 1GEHEN-DORTa || – 01:29-01:31
‘Ich gehe nach Basel.’
Alle vier Fingerkuppen zeigen in Richtung Zielort, die Bewegungfolgt noch. wird ebenfalls in diese Richtung ausgeführt.
(e) ICH UNIVERSITÄT IXa(mb: ‘diese’) ICH 1GEHEN-DORTa || – 01.34-01:36
‘Ich gehe zu dieser Universität.’
Auch in diesem Beispiel orientieren sich Fingerkuppen und Bewegungfolgt noch. in Richtung Zielort.
Pfad-Verben
Bei Pfad-Verben ist der ganze Zeigefinger oder die ganze Handfläche (B-Hand) zu beachten. Diese zeigen und bewegen sich wie ein Pfeil oder Wegweiser vom Ausgangsort in die Richtung des Zielortes und zeichnen somit einen imaginären Pfad nach.
Mit einem Pfad-Verb kann die Route von einem Ort zum anderen aufgezeigt werden wie in folgender Antwort auf die Frage nach dem Weg zum Supermarkt ‘Coop’:
(i)
dH: Geste(‘ah’) IXa PFADa->b IXb(dort) COOP ||
ndH: IXa (hier)>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> ||
‘Auf diesem Weg zu Coop gehen.’
Der Zeigefinger funktioniert hier als Pfeil, welcher zum Zielort hinführt. Alternativ kann die flache B-Handform benutzt werden:
Modalverbenfolgt noch. sind meistens unterstützende Hilfsverben. Sie drücken einen Wunsch, einen Willen, eine Absicht, eine Möglichkeit, eine Pflicht oder einen Zwang aus. Modalverbenfolgt noch. stehen in der Regel in Kombination mit einem anderen Verb, um dessen Bedeutung zu präzisieren oder zu verändern.
Die DSGS kennt folgende lexikalisierte Modalverbenfolgt noch.:
(a) MÜSSEN – 00:17
‘muss’
(b) KÖNNEN – 00:19
‘kann’
(c) DÜRFEN – 00:21-00:22
‘darf’
(d) WOLLEN (3 Varianten) – 00:26-00:29
‘will’
(e) SOLLEN – 00:31-00:32
‘soll’
(f) MÖCHTEN – 00:34-00:35
‘möchte’
‘Möchten’ wird oft ohne, kann aber auch mit MundbildEin Mundbild ist die (meist stumme) Artikulation eines Wortes (oder eines Teils davon) aus der umgebenden gesprochenen Sprache, das entweder… gebärdet werden:
(g) MÖCHTEN ohne und mit MundbildEin Mundbild ist die (meist stumme) Artikulation eines Wortes (oder eines Teils davon) aus der umgebenden gesprochenen Sprache, das entweder… – 00:38-o0:41
‘möchte’
Bei den restlichen Modalverben ist ein begleitendes Mundbild in der Regel obligatorisch. Es steht meistens in der 1. Person Singular. In einem Satz zum Beispiel, der «wir alle können» bedeutet, lautet das begleitende MundbildEin Mundbild ist die (meist stumme) Artikulation eines Wortes (oder eines Teils davon) aus der umgebenden gesprochenen Sprache, das entweder… ‘darf’.
Die Negationsform eines Modalverbs wird auf verschiedene Arten ausgedrückt. Das Modalverb ‘KÖNNEN’ wird ohne zusätzliche Gebärde verneint, indem die s-Handform eine (α)-Bewegung ausführt. Dies kann sowohl einhändig wie auch zweihändig erfolgen:
(a) 2 Versionen: 1H:KANN-NICHT 2H:KANN-NICHT – 00:15-00:18
‘Ich kann nicht.’
Die restlichen Modalverbenfolgt noch. benötigen zusätzlich eine der folgenden Gebärden für die Verneinung (einige werden mit, andere ohne MundbildEin Mundbild ist die (meist stumme) Artikulation eines Wortes (oder eines Teils davon) aus der umgebenden gesprochenen Sprache, das entweder… ausgeführt):
NICHT | NICHT(Hf-B/5) | NICHT++ | NICHT(Hf-B/5)++ – 00:28-00:32
Ein Modalverb unterstützt ein Hauptverb (z. B. ‘ARBEITEN’, ‘LESEN’, ‘KAUFEN’).
Die Satzstruktur, die Reihenfolge der Gebärden in einem Satz mit einem Modalverb (ModV), sieht folgendermassen aus: Falls es kein Objektfolgt noch. gibt, ist das Modalverb üblicherweise direkt vor dem Hauptverb positioniert: S-ModV-V. Wenn ein Objektfolgt noch. vorhanden ist, wird das Modalverb vor das Objektfolgt noch. gesetzt: S-ModV-O-V.
Ein Beispiel ohne Objektfolgt noch. (S-ModV-V):
(a) ICH MÜSSEN ARBEITEN || – 00.31-00:33
‘Ich muss arbeiten.’
Ein Beispiel mit Objektfolgt noch. (S-ModV-O-V):
(b) ICH MÜSSEN BROT KAUFEN || – 00.41-00:44
‘Ich muss Brot kaufen.’
Am Ende des Satzes wird das Modalverb oft wiederholt, was vermutlich in den meisten Fällen die Funktion hat, eine Betonung hinzuzufügen:
(c) ) ICH MÜSSEN BROT KAUFEN | MÜSSEN || – 01.05-01.09
‘Ich muss (!) Brot kaufen.
Mit einer produktiven Verbform können Aspekte von Referent:innen (Form, Position, Orientierung, Bewegungfolgt noch., Handhabung) oder ihre Aktionen so realitätsnah wie möglich beschrieben werden. Was genau auf diese Weise beschrieben wird, hängt vom Kontext ab, davon, worauf der/die Gebärdende den Fokus legen will. Produktive Verbformenfolgt noch. haben also keine einheitliche Grundform (wie etwa die Gebärden ‘APFEL’ oder ‘ARBEITEN’); die Form und die Bedeutung ist kontextabhängig.
Daher werden diese Formen hier glossiert, indem sie als produktiv (PROD) bezeichnet werden und die Informationen, die in ihrer Verwendung in einem bestimmten Kontext enthalten sind, nachher und in einem Subskript vermerkt werden (z.B. PROD-stehen(Auto)a ).
Produktive Verbformenfolgt noch. werden durch die Anwendung der folgenden verschiedenen Bilderzeugungstechniken gebildet: substitutive, manipulative, massanzeigende, skizzierende, stempelnde und indizierende Technik. Obwohl diese Bilderzeugungstechniken nicht nur für Verbformen verwendet werden, werden sie hier alle beschrieben.
Eine produktive Form, die sich aus der Substitutorfolgt noch.-Technik ergibt, verwendet die ganze Hand oder einen Teil der Hand, um für ein belebtes oder unbelebtes Objekt zu stehen. Dazu wird eine Klassifikator-Handform verwendet, die eine Klasse von Objekten mit ähnlicher Form oder ähnlichem Formaspekt darstellt. Diese Substitutor-Formen können die Position, die Lage und die Bewegungfolgt noch. des zu vertretenden Objektes darstellen. Auf eine im GebärdenraumDer Gebärdenraum ist der dreidimensionale Raum, in dem die Gebärdensprache artikuliert wird. Er erstreckt sich so weit, wie die gestreckten… verortete produktive Form kann im weiteren Verlauf einer Aussage wieder referenziert werden.
Nachfolgend einige Beispiele unterschiedlicher produktiver Formen, in der die Hand ein Ersatz/eine Substitution für ein Objektfolgt noch. ist:
(a) Produktive Form mit der Substitutor-Handform für grosse Fahrzeuge
Durch dieselbe substitutive Technik werden auch Objekte wie ein ‘Schiff’ oder die ‘Bahn’ vertreten. Die Produktivform gibt nicht an, um welches dieser grossen Fahrzeuge es sich handelt. Dies ergibt sich erst aus dem Kontext beziehungsweise aus dem/der zuvor im Satz eingeführten Referent:in, für die die produktive Form Ersatz ist.
Ein Substitutorfolgt noch. orientiert sich immer an der Form eines Objektes. Im Falle eines stehenden Autos wird die flache, nach unten zeigende Hand als Ersatz benutzt, da es sich um ein Objektfolgt noch. mit grosser Auflagefläche handelt, dessen Länge grösser ist als die Höhe.
(b) ‘SCHIFF’, ‘BAHN’ – 00:38-00:46
Ein im Regal stehendes Buch zeichnet sich durch eine andere Form und durch andere Dimensionen aus. Seine Substitutor-Form nutzt die gleiche Handformfolgt noch. wie der Substitutorfolgt noch. für ‘AUTO’, die Handstellungfolgt noch. ist jedoch eine andere, da es auf einer schmalen, kurzen Auflagefläche im Regal steht:
(c) Produktive Form mit Hand als Substitutor für ‘ein Buch, das in einem Bücherregal steht’
Aus der gleichen Handformfolgt noch. und wiederum aus einer anderen Handstellung setzt sich der Substitutorfolgt noch. für Fahrrad zusammen:
(d) Produktive Form mit Hand als Substitutorfolgt noch. für ein ‘Fahrrad’
Während die B-Handform mit Handfläche nach unten | u.a. vierrädrige Fahrzeuge substituiert (grosse Auflagefläche), wird sie für die Substitution eines Fahrrades oder eines anderen zweirädrigen Fahrzeugs nach rechts gekippt ~ (schmale, lange Auflagefläche).
Dass sich Handform und Handstellungfolgt noch. eines Substitutors der Form des zu vertretenden Objekts anpassen, zeigen auch folgende Beispiele für andere Objekte:
(e) Substitutorfolgt noch. für einen ‘Menschen’
Zeigefinger und Mittelfinger stehen hier für die Beine einer Person. Dieser Substitutorfolgt noch. für Personen ist geschlechtsneutral.
(f) Substitutorfolgt noch. für ein ‘Bein’
Die Zeigefinger beider Hände stehen hier stellvertretend für je ein Bein.
(g) Substitutorfolgt noch. für ein grosses Objekte (wie ein ‘Haus’)
(h) Substitutorfolgt noch. für ein einzelnes, langes vertikales Objektfolgt noch. (wie ein ‘Baum’ / eine ‘Person’)
Im Gegensatz zur substitutiven Technik, bei der die Hand für ein Objektfolgt noch. steht, steht die Hand bei der manipulativen Technik dafür, wie ein Objekt gehalten oder benutzt wird. Die Handform und die Handstellungfolgt noch. vermitteln Informationen zu Form und Grösse des Objektes.
Dazu unterschiedliche Beispiele:
(a) Manipulatorfolgt noch. für Objekte, welche mit Daumen und Fingern umschlossen werden
Das Beispiel (a) zeigt, wie ein Trinkglas gehalten und zum Mund geführt wird. Dieselbe Manipulator-Form wird für die Handhabung von weiteren zylinderförmigen Hohlgefässen wie Flaschen, Büchsen oder Rohren mit ähnlich grossem Durchmesser benutzt.
(b) Manipulatorfolgt noch. für Objekte, welche mit dem Pinzettengriff gehalten werden
In diesem Beispiel (b) wird der Henkel einer Tasse mit Daumen und Zeigefinger gehalten und zum Mund geführt.
Dieselbe Manipulator-Form wird auch für die Handhabung anderer dünner, schmaler Objekte wie für den Stiel einer Blume oder einen Nagel benutzt:
(c) Manipulatorfolgt noch. für Objekte, welche in der Hand liegen, mit Zeigefinger und Daumen gehalten und von Mittel-, Ring- und kleinem Finger umschlossen werden
In ersten Beispiel wird ein Hammer gehalten und damit ein Nagel eingeschlagen. Derselbe Manipulator wird für das Halten und Handhaben eines Schlüssels benutzt, wie das zweite Beispiel zeigt.
(d) Manipulator für Objekte, welche mit der Faust umschlossen werden
Der Manipulator in diesem Beispiel (d) gibt wieder, wie ein Türgriff gehalten und gehandhabt wird.
Wie die Beispiele zeigen, passen sich die vier Parameter, insbesondere Handformfolgt noch. und Handstellungfolgt noch., also stets der Form, den Ausmassen und dem Volumen eines Objektes an:
Mit der massanzeigenden Bilderzeugungstechnik werden die absolute oder die relative Grösse von belebten oder unbelebten Objekten beschrieben. Meist wird dazu die B-Handform benutzt.
Dazu einige Beispiele:
(a) ‘Der Mann ist sehr gross, die Frau eher klein.’
In diesem Beispiel (a) werden einerseits die relative Grösse des Mannes und der Frau in Bezug zur gebärdenden Person sowie der Grössenunterschied zwischen Mann und Frau angezeigt.
(b) ‘Die neugeborenen Kätzchen sind so klein.’
Dieses Beispiel (b) vermittelt die absolute Grösse der Kätzchen.
Nebst der Grösse kann mit der massangebenden Bilderzeugungstechnik auch die Form eines Objekts wiedergegeben werden:
(c) ICH KAUFEN SCHÖN VASE PROD-Form(grosse Vase) || – 00:38-00:42
‘Ich kaufe eine schöne grosse, bauchige Vase mit einem schmalen kurzen Hals und einer breiten Öffnung.’
Bevor Grösse und Form eines Objekts beschrieben werden können, muss das Objekt selbst benannt werden (z.B. ‘Vase’). Die massangebende Bilderzeugungstechnik vermittelt danach ein recht genaues Bild eines Objekts in kurzer Zeit. Im Deutschen erfordert dieselbe Grössen- und Formbeschreibung mehrere Adjektive.
(d) – 00:53-00:59
In Beispiel (d) werden unterschiedliche Grössen und Formen von Rohren dargestellt.
Die massangebende Bilderzeugungstechnik nutzt meist die B-Handform, oft mit beiden Händen, um ein Abbild eines dreidimensionalen Objekts wiedergeben zu können.
In folgendem Beispiel (Kaffeemaschine) wird zusätzlich eine weitere Handformfolgt noch. gewählt, um ein Detail zu beschreiben (Kaffeeauslauf):
(e) – 01:10-01:14
Die massangebende Bilderzeugungstechnik kann sich mit der skizzierenden oder mit der manipulativen Bilderzeugungstechnik überschneiden.
In folgenden Beispielen werden gleichzeitig Informationen zur Handhabung (Manipulatorfolgt noch.) und Grösse (Mass) eines Objekts (‘Buch’) vermittelt:
(f) – 01:31-01:33
Hand und Bewegungfolgt noch. funktionieren in diesem Beispiel einerseits als Manipulatorfolgt noch., da eine Handlung vollzogen wird (das Buch wird ins Regal gestellt). Gleichzeitig gibt die Handformfolgt noch. aber auch Auskunft über die Dicke des Buches (Mass).
Um die Grössenangabe zu verändern (dünnes oder dickes Buch), muss die Handformfolgt noch. entsprechend angepasst werden:
(g) – 01:53-01:55
Im Gegensatz zur massangebenden Bilderzeugungstechnik vermittelt die skizzierende Bilderzeugungstechnik ein zweidimensionales Abbild eines Objektes, indem mit der Zeigefingerspitze sein Umriss (z.B. Umriss eines Bildes) nachgezeichnet wird:
(a) – 00:20-00:28
Dies muss nicht zwingend auf der vertikalen Ebene geschehen, wie folgende Beispiele zeigen (Umriss einer Brille und Umriss von Katzenohren):
(b) – 00:37-00:43
Die Skizzefolgt noch. der ‘Katzenohren’ bildet nicht nur ihren Umriss, sondern auch ihre Ausrichtung ab.
In folgendem Beispiel (‘Bilderrahmen’) überschneiden sich skizzierende Bilderzeugungstechnik und massangebende Bilderzeugungstechnik. Skizziert wird aber immer auf einer zweidimensionalen Ebene:
(c) – 00:47-00:51
Die stempelnde Bilderzeugungstechnik wird für die Beschreibung von Mustern, d.h. für die Darstellung von sich regelmässig wiederholenden Formen, benutzt.
Dazu einige Beispiele:
(a) ‘Roter Pullover mit weissen Punkten.’
Die Fingerkuppen stehen in diesem Beispiel für die einzelnen Sommersprossen. Das Muster ergibt sich aus der sich wiederholenden Stempelbewegung.
Auch aus den folgenden Beispielen wird ersichtlich, dass die Handform die Form des einzelnen Motivs und die Bewegung das Muster (Regelmässigkeit und Wiederholung des einzelnen Motivs) wiedergibt.
(c) ‘Er/sie trägt ein weisses Oberteil mit schwarzen Streifen.’
Die indizierende (oder Pfad-) Technik vermittelt Informationen zur Fortbewegung eines Objekts von einem Ausgangspunkt zu einem Zielpunkt. Richtung und Richtungsänderungen können präzise angegeben werden, in dem sie mit dem Zeigefinger nachgezeichnet werden. Dies zeigen folgende Beispiele:
(a) – 00:15-00:18
In diesem Beispiel (a) wird mit dem Zeigefinger der genaue Flugverlauf eines Vogels wiedergegeben.
(b) – 00:27-00:35
In diesem Beispiel (b) werden sowohl der Weg einer Flüssigkeit in einer chemischen Anlage als auch die Art und Weise ihrer Fortbewegung (fliessen, tropfen, steigen) veranschaulicht.
(c) – 00:40-00:46
Der Zeigefinger zeichnet hier den Weg und die Art und Weise der Fortbewegung des Fussballs während eines Spiels nach (in die Luft gekickt, auf den Boden fallend, im Zickzack von einer Seite zur anderen springend).
Von den einfachen Verben über die übereinstimmenden Verben bis hin zu den produktiven Verbformen steigt die Komplexität, da die Modifikationsmöglichkeiten zunehmen.
Ob ein Inhalt durch ein einfaches Verb, ein übereinstimmendes Verb oder eine produktive Verbform ausgedrückt wird, ist abhängig vom Kontext und von der Textsorte. Grob unterschieden werden die Textsorten Erzählung, Erklärung, Information/Bericht, Beschreibung und künstlerischer Ausdruck:
Erzählung:
In einer Erzählung wird meist ein Erlebnis, Ereignis, eine Beobachtung oder auch eine Geschichte (z.B. Kinderbuch) möglichst präzise wiedergegeben. Daher nutzt diese Textsorte viele produktive Verbformenfolgt noch. sowie auch viele Rollenwechselfolgt noch., welche konstruierte Aktionfolgt noch. und konstruierten Dialogfolgt noch. beinhalten (siehe Kapitel 11).
Information/Bericht:
Eine sachliche Information wie das Erläutern eines Programms, das Ankündigen eines Arbeitsauftrags oder der Rückblick auf die vergangene Wettersituation wird weniger mit produktiven Verbformen, sondern meist durch einfache und übereinstimmende Verben ausgedrückt.
Beschreibung:
Die Beschreibung einer Kaffeemaschine und ihrer Funktionsweise erfordert einen höheren Grad an Detailgenauigkeit und daher einen grossen Anteil an produktiven Verbformen, wie folgendes Beispiel zeigt:
(a) – 01:51-01:54
In Gebärdensprache gibt es eine gewisse Freiheit bezüglich Wahl der Verbart. Ein Inhalt kann sowohl durch ein einfaches Verb, ein übereinstimmendes Verb oder durch eine produktive Verbform umgesetzt werden. Je detaillierter etwas wiedergegeben werden soll, desto höher ist der Anteil an produktiven Verbformen. Es folgen Beispiele mit unterschiedlichen Verbarten:
(a) ICH GERN WASSER TRINKEN || – 00:27-00:30
‘Ich trinke gerne Wasser.’
Die Information in diesem Beispiel (a) ist allgemein gehalten.
(b) ICH GERN WASSER ICH PROD-drehen(Wasserhahn+Rollefolgt noch.:aus dem Wasserhahn trinken) || – 00:35-00:38
‘Ich trinke Wasser gerne direkt vom Wasserhahn.’
In diesem Beispiel (b) wird genau angegeben, welche Art von Wasser und wie dieses gerne getrunken wird: Leitungswasser direkt vom Wasserhahn, nicht aus einem Glas. Das Hinzufügen einer produktiven Verbform zu einem einfachen Verbfolgt noch. liefert zusätzliche Informationen.
(c) ICH ARBEITEN | PROD-tippen(+Rollefolgt noch.) || – 01:01-01:03
‘Ich bin am Arbeiten.’
‘ARBEITEN’ gehört in der Regel zu den einfachen Verben. In diesem Beispiel (c) wird die Tätigkeit des Arbeitens jedoch spezifiziert (arbeiten am Computer) durch den Rollenwechselfolgt noch. und das Hinzufügen einer produktiven Verbform (Handhabung der Tastatur).
Die Spezifizierung der Tätigkeit des Arbeitens ist auch in folgendem Beispiel ersichtlich:
(d) ICH ARBEITEN | PROD-streichen(Wand + Rollefolgt noch.) | PROD-staubsaugen(+Rollefolgt noch.) || – 01:19-01:23
‘Ich streiche die Wände und sauge den Boden.’
Rollenwechselfolgt noch. und produktive Manipulationsverben vermitteln, dass die Arbeit aus dem Streichen der Wände und dem Staubsaugen besteht.
Einfache Verben, übereinstimmende Verben und produktive Verbformenfolgt noch. unterscheiden sich durch die Modifikationsmöglichkeiten. Während bei den produktiven Verbformen alle Parameter modifiziert werden können, sind bei den übereinstimmenden Verben nur Handstellungfolgt noch., Bewegung, Ausführungsstelle und bei den einfachen Verben ist nur die Ausführungsstelle modifizierbar.
Dieselbe Tätigkeit kann sowohl durch ein einfaches Verb, ein übereinstimmendes Verbfolgt noch. oder durch eine produktive Verbform ausgedrückt werden.
Viele lexikalisierte Verben gehören zur Kategorie der einfachen Verben, dies ist aber nicht zwingend der Fall.
Ein übereinstimmendes Verb kann ebenfalls als einfaches Verb ausgeführt werden wie z.B. das Verb ‘FRAGEN’:
(a) FRAGEN als übereinstimmendes Verb
FRAU IX-3a 3aFRAGEN3b MANN IX-3b || – 00:49-00:50
In diesem Beispiel (a) wird die Tätigkeit des Fragens als übereinstimmendes Verbfolgt noch. mit Ausgangspunkt beim Subjektfolgt noch. und Endpunkt beim Objektfolgt noch. umgesetzt.
(b) FRAGEN als einfaches Verb
FRAU IX-3a FRAGEN MANN IX-3b || – 00:54-00:56
Die Tätigkeit des Fragens wird in diesem Beispiel (b) in Form eines einfachen Verbs umgesetzt, die Übereinstimmung wird lediglich durch Indexierung angezeigt.
Variante (a) (übereinstimmendes Verbfolgt noch.) ist jedoch viel klarer.
Die lexikalisierte Gebärde ‘DA’ zeigt Besitz, Eigentum oder Zugehörigkeit aus, drückt aus, dass über etwas verfügt wird, etwas vorhanden ist:
(a) ‘DA’ (2 Varianten) – 00:06-00:08
Dazu einige Beispiele:
(b) MÄDCHEN IXa | DA BALL || – 00:24-00:27
‘Das Mädchen hat einen Ball.’
(c) IXa FAMILIE | DA FÜNF KINDER || – 00:30-00:33
‘Die Familie hat fünf Kinder.’
(d) MANN IXa | DA ARBEITEN || – 00:35-00:39
‘Der Mann hat Arbeit.’
Die deutsche Sprache kennt die beiden Hilfsverbenfolgt noch. ‘sein’ und ‘haben’. Das Hilfsverb ’sein’ bedeutet u.a. eine bestimmte Eigenschaft oder Art zu haben. Im Beispiel ‘Das Mädchen ist traurig’ dient es dazu, einen inneren Zustand, eine Befindlichkeit auszudrücken.
Das Hilfsverb ‘haben’ drückt Besitz, Eigentum oder Zugehörigkeit aus, drückt aus, dass über etwas verfügt wird, etwas vorhanden ist.
Die Hilfsverbenfolgt noch. ‘haben’ und ‘sein’ dienen in der deutschen Sprache darüber hinaus dazu, Tempus und Modus auszudrücken. Im Gegensatz dazu drückt die Gebärde ‘DA’ lediglich Besitz usw. aus.
Es folgen zwei Beispiele dazu, wie in DSGS die Inhalte und Funktionen von ‘sein’ und ‘haben’ umgesetzt werden:
(e) MANN IX-3a TRAURIG IX-3a || – 01:23-01:27
‘Der Mann ist traurig.’
In diesem Beispiel (e) wird der innere Zustand des Mannes ausgedrückt, er ist traurig. Die DSGS verzichtet auf ein Hilfsverb wie ‘sein’.
(f) IX-3a MANN GESTERN LESEN || – 01:34-01:38
‘Der Mann hat gestern gelesen.’
In DSGS wird die Zeitangabe alleine durch die Gebärde ‘GESTERN’, welche vor dem Verbfolgt noch. ‘LESEN’ steht, ausgedrückt. Das Verbfolgt noch. ‘LESEN’ selbst wird nicht modifiziert. Im Deutschen setzt sich dieselbe Zeitangabe aus dem flektierten Hilfsverb ‘hat’ und dem flektierten Vollverb ‘gelesen’ zusammen.
Cookie | Dauer | Beschreibung |
---|---|---|
cookielawinfo-checkbox-analytics | 11 months | This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookie is used to store the user consent for the cookies in the category "Analytics". |
cookielawinfo-checkbox-functional | 11 months | The cookie is set by GDPR cookie consent to record the user consent for the cookies in the category "Functional". |
cookielawinfo-checkbox-necessary | 11 months | This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookies is used to store the user consent for the cookies in the category "Necessary". |
cookielawinfo-checkbox-others | 11 months | This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookie is used to store the user consent for the cookies in the category "Other. |
cookielawinfo-checkbox-performance | 11 months | This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The cookie is used to store the user consent for the cookies in the category "Performance". |
viewed_cookie_policy | 11 months | The cookie is set by the GDPR Cookie Consent plugin and is used to store whether or not user has consented to the use of cookies. It does not store any personal data. |