Verneinte Ergänzungsfragen und Mischformen aus Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen in kürzeren Sätzen
schütteln jn-? (Augenbr: gerunzelt)
(b) IX-2 IXa ESSEN IXa IX-2 || – 00:03-00:06
‘Isst du das nicht?’
In diesem Beispiel handelt es sich um eine pragmatische Mischform aus Entscheidungs- und Ergänzungsfrage, die den Adressat:innen die Möglichkeit offenlässt, sie als Entscheidungsfrage zu beantworten oder die Gelegenheit zu nutzen, weitere Informationen zu liefern. Die Verneinung ist nur an den nichtmanuellen Komponenten (Kopfschütteln) zu erkennen. Das Beispiel enthält keine lexikalisierte verneinende Gebärde (manuelle Komponenten).
Etwas länger wird der Satz durch das Hinzufügen der lexikalisierten Gebärde ‘NICHT’, welche meist vor dem Verb steht:
schütteln jn-? (Augenbr: gerunzelt)
(c) IX-2 IXa VERNEINEN ESSEN IXa IX-2 || – 00:22-00:25
‘Isst du diese Sachen nicht?’
Auch dieses Beispiel zeigt eine pragmatische Mischform aus Entscheidungsfrage und Ergänzungsfrage.
Mit dem Hinzufügen einer verneinten Ergänzungsfrage wird der Satz noch etwas länger:
ixa schütteln w-? (Augenbr: gerunzelt)
(d) IX-2 VERNEINEN ESSEN IXa | WARUM VERNEINEN IX-2(Hf:B) || – 00:34-00:38
‘Warum isst du diese Sachen nicht?’
Dieses Beispiel enthält zwei Verneinungen (‚NICHT ESSEN‘ und ‚WARUM NICHT‘). Die erste Verneinung steht vor dem Verb, die zweite nach der Ergänzungsfrage am Satzende. Die Verneinung der Ergänzungsfrage kann je nach Intention differenziert werden (einmalige oder wiederholte Bewegung, verstärkt oder abgeschwächt, (siehe Kapitel 6).
Verneinte Ergänzungsfrage in langen Sätzen
(a) IX-2 SALAT | GEMÜSE UND FISCH IXa-c
schütteln > > > w-?
IX-2 NICHT ESSEN IXa-c | WARUM VERNEINEN IXa-c-a IX-2 || – 00:01-00:09
‘Warum isst du weder Salat, noch Gemüse, noch Fisch?’
Zuerst wird in das Thema, auf welches sich die Ergänzungsfrage bezieht, eingeführt. Die Ergänzungsfrage steht im langen Satz am Schluss gefolgt von der Verneinung ‘NICHT’.
4. Satzbau ‘WAS?’
’WAS?’ in langen Sätzen:
w-?
(j) IX-2 REISEN KOFFER | WAS EINPACKEN IX-2(hold). || – 00:02-00:07
‘Du verreist. Was packst du alles in deinen Koffer?’
Die lexikalisierte Gebärde ‘WAS’ folgt ganz am Schluss dieses langen Satzes.
’WAS?’ in kurzen Sätzen:
Lässt sich aus dem Kontext bereits einiges erschliessen (es steht jemand mit einem Koffer da), kann der Fragesatz auch kürzer formuliert werden (k):
w-?
(k) WAS IX-2 EINPACKEN IX a IX-2 || – 00:21-00:23
‘Was packst du ein?’
3. Satzbau ‘WIE?’
’WIE?’ in langen Sätzen:
gerunzelt (Kommentar) w-?
(g) IX-2 WOHNEN WEIT | IX-2 2KOMMENa WIE IX-2(hold)|| – 00:03-00:08
‘Du wohnst sehr weit weg, wie kommst du hierher?’
In diesem langen Satz wird zuerst ins Thema eingeführt, anschliessend folgt die Frage dazu. Die lexikalisierte Gebärde ‚WIE‘ steht am Schluss.
’WIE?’ in kurzen Sätzen:
w-?
(h) WIE IX-2 2KOMMENa IX-2 || – 00:17-00:19
‘Wie kommst du hierher?’
In diesem kurzen Satz steht die lexikalisierte Gebärde ‚WIE‘ am Anfang.
w-?
(i) WIE IX-2 2KOMMENa WPALM-UP || – 00:25-00:28
‘Wie kommst du hierher?’
Am Ende eines kurzen Satzes kann die Frage wiederholt werden, indem die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ hinzugefügt wird. Diese wird gehalten, bis eine Antwort folgt.
2. Satzbau ‘WARUM?’
’WARUM?’ in langen Sätzen:
(d) MANN IX-3 KANN-NICHT PROD-Bildschirm
w-?
COMPUTER LESEN | WARUM PALM-UP(3) || – 00:04-00:09
‘Warum kann der Mann nicht am Bildschirm lesen?’
Die lexikalisierte Gebärde ‚WARUM‘ und ‘PALM-UP(?)’ stehen in diesem langen Satz am Ende.
’WARUM?’ in kurzen Sätzen:
(leicht schütteln) w-?
(e) WARUM IX-3 KANN-NICHT LESEN IX-3 || – 00:16-00:19
‘Warum kann er da (am Bildschirm) nicht lesen?’
In diesem kurzen Satz steht die lexikalisierte Gebärde ‘WARUM’ am Anfang.
(leicht schütteln) w-?
(f) WARUM IX-3 KANN-NICHT LESEN | WARUM IX-3 || – 00:25-00:28
‘Warum kann er da (am Bildschirm) nicht lesen?’
Die lexikalisierte Gebärde ‘WARUM’ wird am Ende dieses kurzen Satzes wiederholt.
1. Satzbau ‘WO?’
’WO?’ in langen Sätzen:
w-?
(a) IX-2 2HINGEHENa RESTAURANTIXa | WO IXa || – 00:12-00:15
‘Wo ist das Restaurant, das du besuchst?’
Die Ergänzungsfrage steht am Ende des langen Satzes.
’WO?’ in kurzen Sätzen:
w-?
(b) WO RESTAURANT IXa || – 00:22-00:25
‘Wo ist das Restaurant?’
In einem kurzen Satz wie diesem steht die Ergänzungsfrage meist am Anfang.
w-?
(c) WO RESTAURANT IXa | WO IXa || – 00:33-00:35
‘Wo ist das Restaurant?’
Es ist auch möglich, die Frage am Schluss zu wiederholen.
Die Frage ‘WELCHE?’ kann als lexikalisierte Gebärde (a) oder mit der Gebärde ‘PALM-UP(?)’ – beide begleitet vom Mundbild ‘welche’ – realisiert werden:
(a) WELCHE – 00:07-00:08
(b) W-PALM-UP – 00:11-00:12
Dazu je ein Beispiel:
w-?
(c) WELCHE(Var.1) FARBE IX-2 LIEBLING IX-2 || – 00:08-00:11
‘Welche ist deine Lieblingsfarbe?’
w-?
(d) WPALM-UP(MB:welch) FARBE IX-2 LIEBLING IX-2 || – 00:11-00:14
‘Welche ist deine Lieblingsfarbe?’
Die Frage ‘WELCHE?’ offeriert zwei (oder mehrere) Wahlmöglichkeiten. Sie wird grundsätzlich nach denselben Regeln gebildet wie die Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen. Zusätzlich werden jedoch die Alternativen, welche zur Auswahl stehen, im Gebärdenraum platziert und mit nichtmanuellen Komponenten (Kopfstellung und Haltung des Oberkörpers) markiert.
Einige Beispiele dazu:
jn-?
(e) HEUTE 1BEIDE2 RICHTUNG-NACH BERN MIT AUTO(Oberk: links) BAHN(Oberk: rechts) |
jn-?
WPALM-UP MÖGEN IX-2 IXrechts IX links – 00:11-00:12
‚Möchtest du, dass wir beide heute mit dem Auto oder mit der Bahn nach Bern fahren?‘
Die Alternativen (‚AUTO‘ und ‚BAHN‘) werden links und rechts im Raum platziert. Der Wechsel der Stellung von Oberkörper und Kopf (links und rechts) ist identisch mit ‚oder‘.
(f)
jn-? jn-?
IX-2 MÖGEN VELO ROTlinks GRÜNrechts IX(HF-B)rechts IX(Hf-B)links | GRÜNrechts IX(HF-B)rechts IX-2 – 00:04-00:09
‚Möchtest du das rote oder das grüne Velo? Das grüne?‘
jn-? jn-?
(g) WAS IX-2 MÖGEN ESSEN SPAGHETTI links ODER REISrechts | IXrechts IXlinks || – 00:05-00:11
‚Möchtest du Spaghetti oder Reis essen?‘
Vor der eigentlichen Frage (Entscheidungsfrage oder Ergänzungsfrage) wird in Gebärdensprache oft zuerst ins Thema (Topik) eingeführt, auf welches sich die Frage bezieht. Zur Topikalisierung je ein Beispiel einer Entscheidungsfrage (a) und einer Ergänzungsfrage (b):
(a)
t jn ?
IX-2 GESTERN RESTAURANT HINGEHENaIXa |ESSEN IXaGUTIXa || – 00:12-00:17
‘War das Essen im Restaurant, das du gestern besucht hast, gut?’
Im Beispiel (a) wird zuerst in das Thema eingeführt (‘Restaurantbesuch‘) und danach eine Frage dazu gestellt (‘gutes Essen?’). Im Deutschen sieht die Informationsstruktur anders aus: Die Frage wird mit Satzbeginn (‘Essen … ’) eingeleitet und allenfalls am Satzende abgeschlossen (‘gut?’); das Thema (‹Restaurantbesuch’), auf welches sich die Frage bezieht, folgt am Schluss oder wird eingeschoben.
(b)
t w-?
GESTERN IX-2 KURSGUTPROD-besuchen-viela |WIEVIELANMELDENIXa || – 00:30-00:34
‘Wieviel Personen haben sich zum gestrigen Kurs, der ja gut besucht war, angemeldet?
Auch in diesem Beispiel (b) mit einer Ergänzungsfrage wird zuerst ins Thema eingeführt (‘gut besuchter Kurs’) und danach eine Frage dazu gestellt (‘wie viele Personen?’). Im Deutschen ist die Frage analog Beispiel (a) aufgebaut.
In Gebärdensprache wird also zuerst das ‘übergeordnete’ Thema (Kontext) angegeben, die darauf bezogene Frage stellt eine Fokussierung dar.
Die zentralen Merkmale eine Frage (Entscheidungsfrage und Ergänzungsfrage) sind folgende: Die nichtmanuellen Komponenten (Oberkörper und Kopf sind nachvorne geneigt und die Augenbrauchen sind hoch- oder nach unten gezogen), die letzte Gebärde wird etwas länger gehalten und die Gebärde ‘PALM-UP(?)’ wird hinzugefügt.
Diese Merkmale können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein je nachdem, ob eine Frage sehr deutlich und für alle Anwesenden wahrnehmbar zum Ausdruck gebracht wird oder aber sich dezent nur an das Gegenüber richtet. Dazu je ein kurzes Beispiel:
w-?
(a) WAS ESSEN IX-3 ||
‘Was isst er da?’ – 00:30-00:32
In diesem Beispiel werden die Gebärden sehr nahe am Körper und in der Nähe des Kopfes ausgeführt; die nichtmanuellen Komponenten werden nur angedeutet. Die Frage soll nur vom Gegenüber wahrgenommen werden.
w-?
(b) WAS IX-3 ESSEN IX-3 ||
‘Sag, was isst er denn da?’ – 00:33-00:35
Die Frage in diesem Beispiel kommt klar und deutlich zum Ausdruck. Die Gebärden nutzen den gesamten Gebärdenraum; Oberkörper und Kopf neigen sich stark nach vorne.
Wie offensichtlich oder nachdrücklich eine Frage formuliert wird (Verstärkung oder Abschwächung) kommt also durch die Grösse der Gebärden und der Bewegung von Oberkörper und Kopf zum Ausdruck. Die gesprochene Sprache variiert dazu die Intonation und die Lautstärke.
Auch die Position der Verneinung (siehe Kapitel 6) einer Ergänzungsfrage hängt mit der Satzlänge zusammen. In einem kurzen Satz steht die verneinte Frage am Satzanfang, allenfalls wird sie am Satzende wiederholt. In einem langen Satz steht die Verneinung ganz am Schluss nach der Ergänzungsfrage.
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