Im Gegensatz zur massangebenden Bilderzeugungstechnik vermittelt die skizzierende Bilderzeugungstechnik ein zweidimensionales Abbild eines Objektes, indem mit der Zeigefingerspitze sein Umriss (z.B. Umriss eines Bildes) nachgezeichnet wird:

(a) – 00:20-00:28

 

Dies muss nicht zwingend auf der vertikalen Ebene geschehen, wie folgende Beispiele zeigen (Umriss einer Brille und Umriss von Katzenohren):

(b) – 00:37-00:43

 

Die Skizze der ‘Katzenohren’ bildet nicht nur ihren Umriss, sondern auch ihre Ausrichtung ab.

 

In folgendem Beispiel (‘Bilderrahmen’) überschneiden sich skizzierende Bilderzeugungstechnik und massangebende Bilderzeugungstechnik. Skizziert wird aber immer auf einer zweidimensionalen Ebene:

Mit der massanzeigenden Bilderzeugungstechnik werden die absolute oder die relative Grösse von belebten oder unbelebten Objekten beschrieben. Meist wird dazu die B-Handform benutzt.

 

Dazu einige Beispiele:

 

(a) ‘Der Mann ist sehr gross, die Frau eher klein.’

– 00:20-00:24

 

In diesem Beispiel (a) werden einerseits die relative Grösse des Mannes und der Frau in Bezug zur gebärdenden Person sowie der Grössenunterschied zwischen Mann und Frau angezeigt.

 

(b) ‘Die neugeborenen Kätzchen sind so klein.’

– 00:27-00:30

 

Dieses Beispiel (b) vermittelt die absolute Grösse der Kätzchen.

 

Nebst der Grösse kann mit der massangebenden Bilderzeugungstechnik auch die Form eines Objekts wiedergegeben werden:

(c) ICH  KAUFEN  SCHÖN  VASE  PROD-Form(grosse Vase) ||00:38-00:42

‘Ich kaufe eine schöne grosse, bauchige Vase mit einem schmalen kurzen Hals und einer breiten Öffnung.’

 

Bevor Grösse und Form eines Objekts beschrieben werden können, muss das Objekt selbst benannt werden (z.B. ‘Vase’). Die massangebende Bilderzeugungstechnik vermittelt danach ein recht genaues Bild eines Objekts in kurzer Zeit. Im Deutschen erfordert dieselbe Grössen- und Formbeschreibung mehrere Adjektive.

 

(d) – 00:53-00:59

 

In Beispiel (d) werden unterschiedliche Grössen und Formen von Rohren dargestellt.

 

Die massangebende Bilderzeugungstechnik nutzt meist die B-Handform, oft mit beiden Händen, um ein Abbild eines dreidimensionalen Objekts wiedergeben zu können.

 

In folgendem Beispiel (Kaffeemaschine) wird zusätzlich eine weitere Handform gewählt, um ein Detail zu beschreiben (Kaffeeauslauf):

 

(e) – 01:10-01:14

 

Die massangebende Bilderzeugungstechnik kann sich mit der skizzierenden oder mit der manipulativen Bilderzeugungstechnik überschneiden.

 

In folgenden Beispielen werden gleichzeitig Informationen zur Handhabung (Manipulator) und Grösse (Mass) eines Objekts (‘Buch’) vermittelt:

 

(f) – 01:31-01:33

 

Hand und Bewegung funktionieren in diesem Beispiel einerseits als Manipulator, da eine Handlung vollzogen wird (das Buch wird ins Regal gestellt). Gleichzeitig gibt die Handform aber auch Auskunft über die Dicke des Buches (Mass).

 

Um die Grössenangabe zu verändern (dünnes oder dickes Buch), muss die Handform entsprechend angepasst werden:

Im Gegensatz zur substitutiven Technik, bei der die Hand für ein Objekt steht, steht die Hand bei der manipulativen Technik dafür, wie ein Objekt gehalten oder benutzt wird. Die Handform und die Handstellung vermitteln Informationen zu Form und Grösse des Objektes.

 

Dazu unterschiedliche Beispiele:

 

(a) Manipulator für Objekte, welche mit Daumen und Fingern umschlossen werden

Video – 00:20-00:22

 

Das Beispiel (a) zeigt, wie ein Trinkglas gehalten und zum Mund geführt wird. Dieselbe Manipulator-Form wird für die Handhabung von weiteren zylinderförmigen Hohlgefässen wie Flaschen, Büchsen oder Rohren mit ähnlich grossem Durchmesser benutzt.

 

(b) Manipulator für Objekte, welche mit dem Pinzettengriff gehalten werden

Video – 00:36-00:37

 

In diesem Beispiel (b) wird der Henkel einer Tasse mit Daumen und Zeigefinger gehalten und zum Mund geführt.

 

Dieselbe Manipulator-Form wird auch für die Handhabung anderer dünner, schmaler Objekte wie für den Stiel einer Blume oder einen Nagel benutzt:

Video – 00:43-00:47

 

(c) Manipulator für Objekte, welche in der Hand liegen, mit Zeigefinger und Daumen gehalten und von Mittel-, Ring- und kleinem Finger umschlossen werden

Video – 00:51-00:54

Video – 00:54-00:57

 

In ersten Beispiel wird ein Hammer gehalten und damit ein Nagel eingeschlagen. Derselbe Manipulator wird für das Halten und Handhaben eines Schlüssels benutzt, wie das zweite Beispiel zeigt.

 

(d) Manipulator für Objekte, welche mit der Faust umschlossen werden

Video – 00:55-00:56

 

Der Manipulator in diesem Beispiel (d) gibt wieder, wie ein Türgriff gehalten und gehandhabt wird.

 

Wie die Beispiele zeigen, passen sich die vier Parameter, insbesondere Handform und Handstellung, also stets der Form, den Ausmassen und dem Volumen eines Objektes an:

 

Video – 01:09-01:20

Eine produktive Form, die sich aus der Substitutor-Technik ergibt, verwendet die ganze Hand oder einen Teil der Hand, um für ein belebtes oder unbelebtes Objekt zu stehen. Dazu wird eine Klassifikator-Handform verwendet, die eine Klasse von Objekten mit ähnlicher Form oder ähnlichem Formaspekt darstellt. Diese Substitutor-Formen können die Position, die Lage und die Bewegung des zu vertretenden Objektes darstellen. Auf eine im Gebärdenraum verortete produktive Form kann im weiteren Verlauf einer Aussage wieder referenziert werden.

 

Nachfolgend einige Beispiele unterschiedlicher produktiver Formen, in der die Hand ein Ersatz/eine Substitution für ein Objekt ist:

 

(a) Produktive Form mit der Substitutor-Handform für grosse Fahrzeuge

– 00:12-00:14

 

Durch dieselbe substitutive Technik werden auch Objekte wie ein ‘Schiff’ oder die ‘Bahn’ vertreten. Die Produktivform gibt nicht an, um welches dieser grossen Fahrzeuge es sich handelt. Dies ergibt sich erst aus dem Kontext beziehungsweise aus dem/der zuvor im Satz eingeführten Referent:in, für die die produktive Form Ersatz ist.

 

Ein Substitutor orientiert sich immer an der Form eines Objektes. Im Falle eines stehenden Autos wird die flache, nach unten zeigende Hand als Ersatz benutzt, da es sich um ein Objekt mit grosser Auflagefläche handelt, dessen Länge grösser ist als die Höhe.

 

(b) ‘SCHIFF’, ‘BAHN’ – 00:38-00:46

 

Ein im Regal stehendes Buch zeichnet sich durch eine andere Form und durch andere Dimensionen aus. Seine Substitutor-Form nutzt die gleiche Handform wie der Substitutor für ‘AUTO’, die Handstellung ist jedoch eine andere, da es auf einer schmalen, kurzen Auflagefläche im Regal steht:

 

(c) Produktive Form mit Hand als Substitutor für ‘ein Buch, das in einem Bücherregal steht’

– 00:51-00:56

 

Aus der gleichen Handform und wiederum aus einer anderen Handstellung setzt sich der Substitutor für Fahrrad zusammen:

 

(d) Produktive Form mit Hand als Substitutor für ein ‘Fahrrad’

– 00:57-00:58

 

Während die B-Handform mit Handfläche nach unten | u.a. vierrädrige Fahrzeuge substituiert (grosse Auflagefläche), wird sie für die Substitution eines Fahrrades oder eines anderen zweirädrigen Fahrzeugs nach rechts gekippt ~ (schmale, lange Auflagefläche).

 

Dass sich Handform und Handstellung eines Substitutors der Form des zu vertretenden Objekts anpassen, zeigen auch folgende Beispiele für andere Objekte:

 

(e) Substitutor für einen ‘Menschen’

– 01:08-01:11

 

Zeigefinger und Mittelfinger stehen hier für die Beine einer Person. Dieser Substitutor für Personen ist geschlechtsneutral.

 

(f) Substitutor für ein ‘Bein’

– 01:19-01:24

 

Die Zeigefinger beider Hände stehen hier stellvertretend für je ein Bein.

 

(g) Substitutor für ein grosses Objekte (wie ein ‘Haus’)

– 01:25-01:32

 

(h) Substitutor für ein einzelnes, langes vertikales Objekt (wie ein ‘Baum’ / eine ‘Person’)

Produktive Verbformen werden durch die Anwendung der folgenden verschiedenen Bilderzeugungstechniken gebildet: substitutive, manipulative, massanzeigende, skizzierende, stempelnde und indizierende Technik. Obwohl diese Bilderzeugungstechniken nicht nur für Verbformen verwendet werden, werden sie hier alle beschrieben.

Mit einer produktiven Verbform können Aspekte von Referent:innen (Form, Position, Orientierung, Bewegung, Handhabung) oder ihre Aktionen so realitätsnah wie möglich beschrieben werden. Was genau auf diese Weise beschrieben wird, hängt vom Kontext ab, davon, worauf der/die Gebärdende den Fokus legen will. Produktive Verbformen haben also keine einheitliche Grundform (wie etwa die Gebärden ‘APFEL’ oder ‘ARBEITEN’); die Form und die Bedeutung ist kontextabhängig.

Daher werden diese Formen hier glossiert, indem sie als produktiv (PROD) bezeichnet werden und die Informationen, die in ihrer Verwendung in einem bestimmten Kontext enthalten sind, nachher und in einem Subskript vermerkt werden (z.B. PROD-stehen(Auto)a ).

Ein Modalverb unterstützt ein Hauptverb (z. B. ‘ARBEITEN’, ‘LESEN’, ‘KAUFEN’).

Die Satzstruktur, die Reihenfolge der Gebärden in einem Satz mit einem Modalverb (ModV), sieht folgendermassen aus: Falls es kein Objekt gibt, ist das Modalverb üblicherweise direkt vor dem Hauptverb positioniert: S-ModV-V. Wenn ein Objekt vorhanden ist, wird das Modalverb vor das Objekt gesetzt: S-ModV-O-V.

 

Ein Beispiel ohne Objekt (S-ModV-V):

 

(a) ICH  MÜSSEN  ARBEITEN   ||00.31-00:33

‘Ich muss arbeiten.’

 

Ein Beispiel mit Objekt (S-ModV-O-V):

 

(b) ICH  MÜSSEN  BROT  KAUFEN   ||00.41-00:44

‘Ich muss Brot kaufen.’

 

Am Ende des Satzes wird das Modalverb oft wiederholt, was vermutlich in den meisten Fällen die Funktion hat, eine Betonung hinzuzufügen:

 

(c) ) ICH  MÜSSEN  BROT  KAUFEN  |  MÜSSEN   ||01.05-01.09

‘Ich muss (!) Brot kaufen.

Die Negationsform eines Modalverbs wird auf verschiedene Arten ausgedrückt. Das Modalverb ‘KÖNNEN’ wird ohne zusätzliche Gebärde verneint, indem die s-Handform eine (α)-Bewegung ausführt. Dies kann sowohl einhändig wie auch zweihändig erfolgen:

 

(a) 2 Versionen: 1H:KANN-NICHT    2H:KANN-NICHT00:15-00:18

‘Ich kann nicht.’

 

Die restlichen Modalverben benötigen zusätzlich eine der folgenden Gebärden für die Verneinung (einige werden mit, andere ohne Mundbild ausgeführt):

 

NICHT  |  NICHT(Hf-B/5)  | NICHT++  |  NICHT(Hf-B/5)++    – 00:28-00:32

Modalverben sind meistens unterstützende Hilfsverben. Sie drücken einen Wunsch, einen Willen, eine Absicht, eine Möglichkeit, eine Pflicht oder einen Zwang aus. Modalverben stehen in der Regel in Kombination mit einem anderen Verb, um dessen Bedeutung zu präzisieren oder zu verändern.

 

Die DSGS kennt folgende lexikalisierte Modalverben:

 

(a) MÜSSEN – 00:17

‘muss’

 

(b) KÖNNEN – 00:19

‘kann’

 

(c) DÜRFEN – 00:21-00:22

‘darf’

 

(d) WOLLEN (3 Varianten) – 00:26-00:29

‘will’

 

(e) SOLLEN – 00:31-00:32

‘soll’

 

(f) MÖCHTEN – 00:34-00:35

‘möchte’

 

‘Möchten’ wird oft ohne, kann aber auch mit Mundbild gebärdet werden:

 

(g) MÖCHTEN ohne und mit Mundbild – 00:38-o0:41

‘möchte’

 

Bei den restlichen Modalverben ist ein begleitendes Mundbild in der Regel obligatorisch. Es steht meistens in der 1. Person Singular. In einem Satz zum Beispiel, der «wir alle können» bedeutet, lautet das begleitende Mundbild ‘darf’.

Ortswechsel-Verben bezeichnen die Bewegung einer Person oder eines belebten oder unbelebten Objekts zwischen unterschiedlichen Orten (von-nach). Zusätzlich kann auch der grobe Verlauf dieser Bewegung vermittelt werden (‘wie’ von-nach?).

Pfad-Verben bezeichnen den Weg von einem Ausgangsort zu einem Zielort; sie funktionieren als eine Art Wegweiser/Pfeil (geradeaus, nach rechts, nach links, nach oben, nach unten).

Ortswechsel-Verben und Pfad-Verben werden entweder mit der Zeigefinger-Handform oder der B-Handform gebildet:

 

Handformen, verwendet in Ortswechsel-Verben und Pfad-Verben

– 00:10-00:16

Zeigefinger-Handform  –  B-Handform

Ortswechsel-Verben

Bei Ortswechsel-Verben sind die Fingerkuppen zu beachten. Sie zeigen eine imaginäre Linie an, die den Ausgangs- und Zielort miteinander verbinden.

– 00:28-00:30

Fingerkuppe/n (von-nach)

Fingerkuppe/n (von-nach)

Einige Beispiele zu den Ortswechsel-Verben (a-e):

 

(a)

dH: ICH  ZÜRICH  IXa   aVON-BISb   ST-GALLEN  |  ICH  IX-ORTSW(a-b)  ||00:38-00:44

ndh: IXa>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> || 

‘Ich pendle zwischen Zürich und St. Gallen’.

 

Die Wiederholung der Bewegung drückt aus, dass Hin- und Rückweg regelmässig zurückgelegt werden (‘pendeln’).

 

(b)   BALL  PROD-fortbewegen(Ball rollt)    IX-ORTSW(Pfad+wie:hüpfen)   || 00:50-00:54

‘Der Ball rollt vom Tisch und hüpft über den Boden’.

 

Mittels Bewegung wird hier veranschaulicht, wie sich der Ball fortbewegt (‘rollen’ und ‘hüpfen’).

 

(c) VOGEL  FLIEGEN  |   IX-ORTSW(Pfad:a-b(nmk: ‘schnell’)  || – 00:56-00:58

‘Ein Vogel fliegt schnell vorbei’.

 

Bewegung und Mundform geben Auskunft zur Bewegungsgeschwindigkeit (‘schnell vorbeifliegen’).

 

(d) ICH  BASEL  ICH  IXa  1GEHEN-DORTa  ||01:29-01:31

‘Ich gehe nach Basel.’

 

Alle vier Fingerkuppen zeigen in Richtung Zielort, die Bewegung wird ebenfalls in diese Richtung ausgeführt.

 

(e) ICH  UNIVERSITÄT  IXa(mb: ‘diese’)  ICH  1GEHEN-DORTa  ||01.34-01:36

‘Ich gehe zu dieser Universität.’

 

Auch in diesem Beispiel orientieren sich Fingerkuppen und Bewegung in Richtung Zielort.

 

 

Pfad-Verben

Bei Pfad-Verben ist der ganze Zeigefinger oder die ganze Handfläche (B-Hand) zu beachten. Diese zeigen und bewegen sich wie ein Pfeil oder Wegweiser vom Ausgangsort in die Richtung des Zielortes und zeichnen somit einen imaginären Pfad nach.

– 0:24-0:26  /  0:32-0:33

Zeigefinger als

Pfeil/Wegweiser

B-Hand als

Pfeil/Wegweiser

Mit einem Pfad-Verb kann die Route von einem Ort zum anderen aufgezeigt werden wie in folgender Antwort auf die Frage nach dem Weg zum Supermarkt ‘Coop’:

(i)

dH: Geste(‘ah’)  IXPFADa->b  IXb(dort)  COOP  ||

ndH: IXa (hier)>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>  || 

‘Auf diesem Weg zu Coop gehen.’

– 01:11-01:14

 

Der Zeigefinger funktioniert hier als Pfeil, welcher zum Zielort hinführt. Alternativ kann die flache B-Handform benutzt werden:

– 01:19-01:20

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