Zusammengesetzte Sätze können aus zwei gleichwertigen Sätzen bestehen (zwei vollständige/unabhängige Sätze/Hauptsätze). Sie werden mit ‚und‘ oder ‚oder‘ miteinander verbunden (koordiniert).
Sie können aber auch aus einem vollständigen Satz und einem untergeordneten (subordinierten), vom vollständigen Satz abhängigen Satz (unvollständiger/abhängiger Satz), bestehen.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Sätze miteinander zu verbinden:
(NMK)
Lexikalisierte Gebärden, welche die Funktion von Bindungsgebärden (analog Bindewörtern/Konjunktionen im Deutschen) haben, sind zum Beispiel die Gebärden ‚DURCH‘ oder ,GEFANGEN‘.
‚DURCH‘ ‚GEFANGEN‘
Diese Bindungsgebärden können von nichtmanuellen Komponenten, von Mundbildern – welche der gesprochenen Sprache entlehnt sind – oder von Mundformen begleitet sein.
Sätze beziehungsweise Aussagen können miteinander verbunden werden. In zusammengesetzten Sätzen wird zwischen dem unabhängigen, vollständigen Satz und dem abhängigen (unvollständigen, untergeordneten) Satz unterschieden.
Ein Satz ist eine Gruppe von Gebärden/Wörtern. Er besteht mindestens aus einem Subjekt und einem Prädikat (Verb).
Ein vollständiger, unabhängiger Satz wird auch als Hauptsatz bezeichnet. Eine satzähnliche Konstruktion, welche weitere Informationen zu einem Hauptsatz liefert, wird als abhängiger Satz oder Nebensatz bezeichnet.
Ein einfacher Satz enthält oft nur ein Prädikat, ein komplexer Satz hingegen oft mehrere Prädikate. Dazu einige Beispiele:
Einfacher Satz
(a) STUDENT IX-3 BUCH LESEN || – 00:00-00:08
‚Der Student/die Studentin liest das Buch.‘
Komplexer Satz
(b) STUDENT IX-3 BUCH SEITE ZWANZIG IX-a(Buch) LESEN || – 00:08-00:17
‚Der Student/die Studentin liest die Seite 20 des Buches.‘
Komplexer, zusammengesetzter Satz
(c) STUDENT IX-3 BUCH SEITE ZWANZIG IX-a(Buch) LESEN DURCH IX-3 MORGEN THEMA IX-a(Buch) PRÜFUNG IX-a(Buch) I MÜSSEN LESEN || – 00:17-00:13
‚Der Student/die Studentin muss die Seite 20 des Buches lesen, weil das entsprechende Thema morgen geprüft wird.‘
Zehnerzahlen werden in der Regel mit beiden Händen gebildet:
(a) SIEBENACHTZIG NEUNZEHN – 00:07-00:10
‚87, 19‘
Es ist jedoch auch möglich, solche Zahlen einhändig (dH) auszuführen. Die ndH wird dabei durch das begleitende Mundbild ersetzt. Voraussetzung dafür: Der Kontext und die beteiligten Personen sind gut vertraut.
Einige Beispiele solcher Kurzversionen:
(b) ZWEIDREISSIG(mb:siebenachzig) – 00:37-00:38
‚87‘
(c) VIERZEHN(mb:neunzehn) – 00:43-00:44
‚19‘
Eine weitere Möglichkeit ist die räumliche Komprimierung der zweihändigen Zahlen 16 bis 19. Die dH und die ndH überlagern sich dabei:
(d) SECHSZEHN SIEBZEHN ACHTZEHN – 01:02-01:04
‚16, 17, 18‘
Die räumliche Komprimierung ermöglicht eine schnellere Ausführung dieser Zahlen. Zudem eignet sie sich gut für die Kommunikation in taktiler Gebärdensprache mit gehörlosen Personen mit einer Sehbehinderung: Da die räumlichen Positionen der beiden Hände nicht auseinander liegen, kann die Zahl besser wahrgenommen und erfasst werden.
Die lexikalisierte Gebärde ‚ERSTENS‘ ist ein Homonym. Sie steht für zahlreiche andere Begriffe. Einige werden mit, andere ohne begleitendes Mundbild gebildet:
(a) EINS ERS-TE WICHTIG HAUPTSACHE – 00:26-00:34
‚Beste, wichtig, erste, Hauptsache, Betonung ‘
Die Stellung dieser Gebärde im Satz und das begleitende Mundbild geben darüber Auskunft, ob es sich um ein Aufzählungsglied (‚ERSTENS‘) oder um einen anderen Begriff handelt. Oder ob betont wird, dass das, was eben erwähnt wurde oder sogleich erwähnt wird, besonders wichtig ist.
Dieselbe Aussage (a) kann auch ohne römische Zahlen (b, c) umgesetzt werden:
(b) ERS-TE TEIL ZWEI-TE TEIL DRIT-TE TEIL – 00:21-00:24
‚1. Teil, 2. Teil, 3. Teil.‘
(c) TEIL EINS(Hf:Zeigefinger) oder EINS(Hf:Daumen) – 00:26-00:28
‚Teil 1.‘
Die römischen Zahlen I und II werden wie folgt gebildet:
Dazu ein Beispiel:
(a) TEIL EINS(Hf:Zeigefinger) TEIL ZWEI(Hf:Zeigefinger) TEIL DREI(Hf:Zeigefinger) – 00:12-00:17
‚Teil I, Teil II, Teil III.‘
Anstelle der üblichen Darstellungen der Zahlen 1 und 2 (siehe Kapitel 14.11) stehen die römische I und die römische II.
In der digitalen Schreibweise der Uhrzeit steht zwischen den einzelnen Zeiteinheiten (z.B. Stunden und Minuten) ein Doppelpunkt. In Gebärdensprache kann je nach Kontext eine rein räumliche Anordnung (a) gewählt oder zusätzlich ein Doppelpunkt gesetzt (b) werden. Dabei werden die Zeiteinheiten (z.B. Stunden und Minuten) als Zehnerzahlen gebärdet:
a) DREIZWANZIG(leicht links) FÜNFZEHN(leicht rechts) – 00:15-00:17
‚23:15‘
b) DREIZWANZIG(leicht links) DOPPELPUNKT FÜNFZEHN(leicht rechts) – 00:18-00:20
‚23:15‘
Wettkampfzeiten setzen sich oft aus drei Zeiteinheiten (z.B. Minuten, Sekunden, Zehntelsekunden) zusammen. Die räumliche Anordnung im Gebärdenraum hilft, die einzelnen Zeiteinheiten voneinander zu unterscheiden:
c) DREIZWANZIG(leicht links) DOPPELPUNKT FÜNFZEHN(leicht rechts) DOPPELPUNKT NULL FÜNF(rechts) – 00:36-00:38
‚23:15:05‘
In Beispiel (c) werden die drei Zeiteinheiten an unterschiedlichen Positionen ausgeführt. Zusätzlich wird zwischen der zweiten und dritten ein Doppelpunkt gesetzt. Dieser ist nicht obligatorisch.
Die einzelnen Zahlen einer langen Zahlenreihe werden – analog der Schreibrichtung – aus Sicht der gebärdenden Person von links nach rechts aneinandergereiht:
a) NULL(links-) SIEBEN NEUN VIER SECHS EINS SIEBEN FÜNF DREI SECHS(-rechts) – 00:25-00:18
‚0794617536‘
Eine Telefonnummer könnte auch im neutralen Raum vor dem Körper gebärdet werden:
b) NULL SIEBEN NEUN VIER SECHS EINS SIEBEN FÜNF DREI SECHS – 00:39-00:18
‚0794617536‘
Das durch die räumliche Anordnung in Beispiel (a) vermittelte Bild einer linearen Zahlenreihe wirkt jedoch klarer.
Eine weitere Möglichkeit ist das Gruppieren einzelner Ziffern innerhalb einer Telefonnummer zu Zehnerzahlen, wie dies in der Schreibweise mit Leerzeichen der Fall ist:
c) ….FÜNFSIEBSZIG(leicht rechts) SECHSDREISSIG(rechts) – 01:05-00:08
‚… 75 36‘
Einige Zahlenreihe (z.B. Versicherungspolice-Nummern) enthalten Punkte, Bindestriche, Kommas oder Sterne. Diese werden in Gebärdensprache ebenfalls angezeigt:
d) EINS EINS SIEBEN STRICH DREI DREI FÜNF KOMMA … – 01:35-01:41
‚117-335, …‘
Beispiele langer Zahlenreihen sind Telefonnummern, Autonummern, Versicherungspolice-Nummern oder Bankkonto-Nummern. Bei ihrer Darstellung gilt es einige Regeln zu beachten.
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